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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Pfeife zu rauchen! Pache tat so, als glaubte er, sie wären auf dem Verbandplatz zurückbehalten worden, weil es an Krankenträgern fehle. Doch auch kein bequemes Geschäft, so im Feuer die Verwundeten aufsammeln! Dann beunruhigte ihn sein heimatlicher Aberglaube, und er setzte hinzu, das brächte Unglück, wenn man Tote anfaßte: man stürbe selbst davon.
    »Schweigen Sie doch still, Gottsdonnerwetter!« schrie Leutnant Rochas. »Wer stirbt denn da gleich?«
    Oberst von Vineuil auf seinem großen Pferde wandte den Kopf. Seit dem Morgen lächelte er zum erstenmal. Dann verfiel er wieder in seine Unbeweglichkeit und wartete gänzlich unempfindlich im Granatenregen auf weitere Befehle.
    Maurice beobachtete jetzt aufmerksam die Träger, und erverfolgte ihr Suchen in den Geländefalten. Hinter einem Gehölz am Ende des Hohlweges mußte ein fliegender Verbandplatz als erste Hilfe eingerichtet sein, dessen Bedienung jetzt die Hochebene abzusuchen begann. Rasch hatten sie ein Zelt aufgeschlagen und aus einem Gepäckwagen das nötige Arbeitszeug hervorgeholt, ihre Werkzeuge, Hilfsgeräte und Leinen für schleunige Verbände, ehe sie die Verwundeten nach Sedan hereinbrachten, was nach Maßgabe der Fuhrwerke geschah, die man sich verschaffen konnte und die bald zu fehlen begannen. Es waren nur Hilfsärzte dort. Vor allen die Krankenträger lieferten hier Beweise hartnäckigen, ruhmlosen Heldentums. In ihrer grauen Kleidung mit dem roten Kreuz auf Mütze und Armbinde konnte man überall sehen, wie sie sich vorsichtig und ruhig durch den Geschoßhagel bis zu den Gefallenen vorschoben. Auf den Knien krochen sie vorwärts und suchten Gräben, Hecken und jeden andern Vorteil des Geländes auszunutzen, ohne sich irgendwie prahlerisch unnötig auszusetzen. Sobald sie dann jemand am Boden fanden, begann ihr harter Beruf; denn viele waren ohnmächtig geworden, und sie mußten die Verwundeten von den Toten unterscheiden. Einige lagen mit dem Gesicht auf der Erde in einer Blutlache, dem Ersticken nahe; andere hatten den Schlund voller Schmutz, als ob sie in die Erde hätten beißen wollen; wieder andere lagen haufenweise durcheinander, mit zusammengezogenen Armen und Beinen und halb zerrissener Brust. Sorgfältig machten die Träger sie los und nahmen die noch Atmenden mit, nachdem sie sie ausgestreckt und ihnen den Kopf unterstützt hatten, den sie so gut wie möglich säuberten. Jeder von ihnen hatte eine Feldflasche mit frischem Wasser bei sich, mit dem sie äußerst geizig umgingen. Häufig konnte man sie minutenlang knien sehen,wenn sie versuchten, einen Verwundeten wieder zu beleben, und darauf warteten, daß er die Augen öffnete.
    Etwa fünfzig Meter nach links konnte Maurice einen beobachten, der die Verwundung eines kleinen Soldaten ausfindig zu machen suchte, aus dessen linkem Ärmel ein blutiger Faden tropfenweise heraussickerte. Es war eine starke Blutung, aber der Mann mit dem roten Kreuz fand sie schließlich doch und stillte sie durch Zusammendrücken der Schlagader. In dringenden Fällen leisteten sie eine Art erste Hilfe, verhüteten bei Brüchen falsche Bewegungen, schienten die Gliedmaßen und machten sie unbeweglich, so daß sie die Leute ohne Gefahr wegbringen konnten. Dies Wegbringen war dann ihre Hauptaufgabe: sie unterstützten die, die noch gehen konnten, trugen andere wie kleine Kinder auf den Armen oder auch wohl Huckepack auf dem Rücken, während sie ihre Arme sich selbst um den Hals legten; oder auch sie bildeten je nach der Schwierigkeit zu zweien, dreien, vieren einen Sitz, indem sie ihre Hände verschränkten, oder trugen sie an Schultern und Beinen fort. Außer den ordnungsmäßigen Tragbahren wandten sie auch manche kluge Erfindung an und stellten Bahren aus mit Hosenträgern zusammengebundenen Gewehren her. Überall waren sie auf der flachen, von Granaten umgewühlten Ebene zu sehen, wie sie einzeln oder in Gruppen ihre Last mit gesenktem Kopfe fortbrachten, den Boden mit dem Fuße untersuchten, vorsichtige, bewundernswerte Helden.
    Während Maurice rechts von sich einen beobachtete, einen mageren, schmächtigen Burschen, wie er einen schweren Sergeanten wegbrachte, der ihm mit zerschmetterten Beinen am Halse hing, so daß er wie eine Arbeiterameise aussah, die ein zu großes Getreidekorn fortschleppt, da sah er sie beide überKopf gehen und in der Sprengwolke einer Granate verschwinden. Als der Rauch sich verzogen hatte, erschien der Sergeant auf dem Rücken liegend, ohne eine neue Verwundung, aber

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