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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Als er am Halse eines der Gefangenen eine Frau hängen sah, fing er auf Französisch wütend wieder an:
    »Ach was! Keine Dummheiten hier! ... Wo kommen Sie her? Was wollen Sie hier?«
    »Meinen Mann will ich.«
    »Ihren Mann, den Mann da? ... Der ist verurteilt, die Gerechtigkeit muß ihren Lauf nehmen.«
    »Meinen Mann will ich.«
    »Na, seien Sie vernünftig ... Treten Sie beiseite, wir möchten Ihnen kein Leid antun.«
    »Meinen Mann will ich.«
    Nun verzichtete der Offizier darauf, sie zur Vernunft zu bringen, und befahl, sie aus den Armen des Gefangenen zu reißen, als Laurent, der bis dahin schweigend mit teilnahmlosem Gesicht dagestanden hatte, sich dazwischen zu treten erlaubte.
    »Herr Hauptmann, sehen Sie, ich habe die vielen Leute erschossen, und daß ich dafür getötet werde, ist nur recht. Um so mehr, als ich ja doch niemand habe, weder Mutter noch Frau oder Kinder ... Sagen Sie, lassen Sie den doch laufen und dann können Sie ja mit mir abrechnen ...«
    Außer sich brüllte der Offizier:
    »Schöne Geschichten! Wollen Sie mir noch Flausen vormachen? ... Wer will die Frau hier freiwillig wegbringen?«
    Er mußte den Befehl auf Deutsch wiederholen. Da trat ein Soldat vor, ein dickbäuchiger Bayer mit gewaltigem, von Bart und roten Haaren umstarrtem Kopf, unter denen nichts als eine mächtige, klobige Nase und dicke blaue Augen zu erkennen waren. Beschmiert mit Blut, sah er gräßlich aus, wie ein Höhlenbär, eins dieser haarigen Raubtiere, wenn sie vonder Beute, der sie gerade die Knochen zerbrochen haben, noch ganz blutig sind.
    Mit einem herzzerreißenden Schrei rief Henriette wieder:
    »Meinen Mann will ich, bringt mich mit meinem Mann um.«
    Aber der Offizier schlug sich heftig mit der Faust vor die Brust und sagte, er sei kein Henker und gehöre nicht zu denen, die Unschuldige töteten. Sie wäre nicht verurteilt, und er würde sich eher die Hand abhacken, als ein Haar auf ihrem Kopfe anrühren.
    Als der Bayer dann herantrat, klammerte Henriette sich ganz betäubt mit allen Gliedmaßen an Weiß' Körper.
    »Liebster, halt' mich fest, bitte! bitte! Laß mich mit dir sterben ...«
    Weiß weinte dicke Tränen; ohne zu antworten, versuchte er die festgekrampften Finger der Unglücklichen von seinen Schultern und Hüften loszumachen.
    »Dann liebst du mich nicht mehr, wenn du ohne mich sterben willst ... Halt' mich fest, dann werden sie müde und töten uns zusammen.«
    Er hatte eine ihrer kleinen Hände losgemacht und drückte sie an den Mund und küßte sie, während er sich abmühte, der andern ihren Halt zu nehmen.
    »Nein, nein, halt' mich fest ... ich will sterben!«
    Mit großer Mühe hielt er endlich ihre beiden Hände. Bis dahin hatte er sich bezwungen, nicht zu sprechen, und war stumm geblieben; jetzt sagte er nur das eine Wort:
    »Leb' wohl, liebstes Weib.«
    Und schon warf er selbst sie dem Bayern in die Arme, der sie nun davontrug. Sie wehrte sich und schrie, während der Soldat, offenbar um sie zu trösten, sie mit einer Flut rauherWorte überschüttete. Mit einer heftigen Anstrengung machte sie den Kopf frei und sah nun alles.
    Er dauerte keine drei Sekunden. Weiß war beim Abschied sein Kneifer abgerutscht, und er setzte ihn gerade mit einer heftigen Bewegung wieder auf, wie um dem Tode schärfer ins Antlitz sehen zu können. Er trat zurück und lehnte sich mit gekreuzten Armen gegen die Mauer; und mit seinem zerfetzten Rock bot der dicke, friedfertige Bursche mit seinem aufgeregten Gesicht, einen Anblick von bewundernswert schönem Mute. Laurent neben ihm hatte nur die Hände in den Taschen vergraben. Er ärgerte sich scheinbar über die Grausamkeit des Vorganges, über die Abscheulichkeit dieser Wilden, die Männer vor den Augen ihrer Frauen töteten. Er richtete sich hoch auf, sah sie an und spie ihnen voller Verachtung entgegen:
    »Dreckige Schweinehunde!«
    Aber der Offizier hatte seinen Degen gehoben, und die beiden Männer fielen, der Gärtnerbursche mit dem Gesicht auf die Erde, der andere, der Werkführer, an der Mauer auf die Seite. Vor seinem letzten Atemzuge zuckte er noch einmal krampfhaft zusammen, die Augenlider zitterten ihm, der Mund verzog sich. Der Offizier trat heran und stieß ihn mit dem Fuß an, um zu sehen, ob er auch nicht mehr lebe.
    Henriette hatte alles gesehen, die brechenden Augen, die sie noch suchten, den schrecklichen letzten Todeskampf, den großen Stiefel, der den Körper anstieß. Sie schrie nicht mehr, sie biß nur, so stark sie konnte, in

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