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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Fuß und das Bein traten in bleifarbener Nacktheit voller Blutflecken hervor. Und da saß oberhalb des Knöchels ein gräßliches Loch, in das das Sprengstück der Granate einen Fetzen rotes Tuch mit hineingerissen hatte. Ein Wulst von zerfetztem Fleisch quoll knäuelartig aus der Wunde hervor.
    Gilberte mußte sich gegen einen der Pfosten des Schuppens lehnen. Ach dies Fleisch, dies jetzt so weiße Fleisch, das nun so blutig zermalmt war! Trotz ihres Erschreckens konnte sie die Augen nicht davon abwenden.
    »Verflucht!« meinte Bouroche. »Den haben sie uns aber schön zugerichtet!«
    Er betastete den Fuß, den er kalt und ohne Puls fand. Sein Gesicht war sehr ernst geworden und er ließ eine Falte in der Lippe sehen, was bei ihm das Anzeichen für beunruhigende Fälle war.
    »Verflucht!« sagte er noch einmal. »Der Fuß sieht bös aus!«
    Den Hauptmann riß die Angst aus seiner Schlaftrunkenheit und er sah ihn voller Erwartung an; schließlich sagte er:
    »Wie finden Sie ihn, Herr Stabsarzt?«
    Aber Bouroche ging stets so vor, daß er die Kranken nie unmittelbar um Vollmacht für die Abnahme eines Gliedes ersuchte, wenn er sie durch die Notwendigkeit für geboten ansah; es war ihm lieber, wenn der Verwundete sich von selbst damit abfände.
    »Fuß sieht bös aus,« flüsterte er wieder, als ob er laut gedacht hätte. »Den retten wir nicht.«
    Nervös fing Beaudouin wieder an:
    »Na, Herr Stabsarzt, wir müssen zum Schluß kommen Was denken Sie?«
    »Herr Hauptmann, ich denke, Sie sind ein tapferer Mann und lassen mich tun, was notwendig ist.«
    Hauptmann Beaudouins Augen brachen und trübten sich in einer Art von rötlichem Nebel. Es war ihm klar geworden. Aber trotz der unerträglichen Furcht, die ihm die Kehle zusammendrückte, antwortete er doch mit schlichter Tapferkeit:
    »Nur zu, Herr Stabsarzt!«
    Und die Vorbereitungen dauerten nicht lange. Schon hielt einer das mit Chloroform getränkte Tuch bereit, das dem Kranken sofort unter die Nase gehalten wurde. In dem Augenblick, als der kurze Erregungszustand eintrat, der der völligen Unempfindlichkeit vorhergeht, ließen zwei Pfleger den Hauptmann so auf der Matratze heruntergleiten, daß die Beine frei schwebten; einer von ihnen hielt das linke und unterstützte es; ein Hilfsarzt packte das rechte und preßte es an der Schenkelwurzel fest zusammen, um die Schlagadern zuzuquetschen.
    Gilberte konnte sich nicht mehr aufrechthalten, als sie Bouroche mit dem kleinen Messer herantreten sah.
    »Nein, nein, das ist zu gräßlich!«
    Es wurde ihr schwach, und sie mußte sich auf Frau Delaherche stützen, die den Arm vorstrecken mußte, um sie am Fallen zu hindern.
    »Aber warum bleibst du denn hier?«
    Alle beide blieben indessen. Sie wandten die Köpfe weg, denn sie wollten nichts weiter sehen; trotz ihrer geringen Zuneigungblieben sie beide eng aneinandergepreßt unbeweglich und zitternd stehen.
    Sicher donnerten gerade um diese Tagesstunde die Geschütze am stärksten. Es war drei Uhr, und Delaherche erklärte mit verzweifelter Enttäuschung, er verstehe die Sache nicht länger. Jetzt war es doch ganz zweifellos, daß die preußischen Geschütze, anstatt ihr Feuer einzustellen, es eher verdoppelten. Warum? Was ging denn vor? Es war ein Höllengeschieße, der Erdboden zitterte, die Luft geriet in Brand. Rund um Sedan schoß der Bronzegürtel der achthundert deutschen Geschütze auf einmal, schleuderten die umgebenden Felder ihre Blitze unter fortgesetztem Donner; und hätten alle die Höhen ihr Feuer gleichzeitig auf die Mitte gelenkt, die Stadt wäre in zwei Stunden verbrannt und zu Staub zerfallen. Das Schlimmste war, daß wieder Granaten auf die Dächer der Umgebung zu fallen begannen. Das Krachen ertönte immer häufiger. Eine barst in der Rue des Voyards. Eine andere streifte einen hohen Schornstein in der Fabrik, so daß Steinstücke auf den Schuppen heruntersprangen.
    Bouroche sah in die Höhe und brummte:
    »Wollen sie uns hier vielleicht unsere Verwundeten erledigen? ... Der Lärm ist ja unerträglich!«
    Ein Pfleger hielt indessen das Bein des Hauptmanns ausgestreckt; mit einem riesig schnellen Kreisschnitt durchschnitt der Stabsarzt die Haut unterhalb des Knies, fünf Zentimeter unter der Stelle, wo er den Knochen durchsägen wollte. Mit Hilfe desselben kleinen Messers, das er, um Zeit zu gewinnen, gar nicht erst wechselte, löste er die Haut los und hob sie rund herum ab wie die Schale einer Orange, die man schält. Aber als er daranging, den Muskel zu

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