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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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werden.
    Maurice, dem sie ihren Plan kurz auseinandersetzte, billigte ihn.
    »Vetter Dubreuil ist stets sehr gut gegen uns gewesen ... Er wird dir schon helfen...«
    Dann aber kam ihm noch ein Gedanke. Leutnant Rochas wollte ja die Fahne retten. Es war schon der Vorschlag gefallen, sie wollten sie in Stücke schneiden und jeder eins davon unter dem Hemd mitnehmen oder auch sie am Fuße eines Baumes vergraben und sich Wiedererkennungszeichen merken, nach denen man sie später wieder ausgraben könnte. Aber dies Begraben der zerfetzten Fahne wie einen Toten schnürte ihnen das Herz zusammen. Sie mußten einen andern Ausweg finden.
    Maurice schlug ihnen daher vor, sie wollten sie einem sichern Mann anvertrauen, der sie verbergen und wenn nötig verteidigen werde bis zu dem Tage, an dem er sie wohlbehalten wieder abliefern könnte, und alle stimmten ihm bei.»Na!« wandte sich der junge Mann wieder an seine Schwester, »wir wollen mit dir zu Dubreuil auf die Eremitage gehen ... Ich hätte dich übrigens auch keinesfalls allein gelassen.«
    Es war nicht leicht, sich aus dem Gewirre loszumachen. Schließlich gelang es ihnen aber, und sie warfen sich in einen nach links führenden Hohlweg. Aber da fielen sie in ein wahres Labyrinth von Pfaden und Gäßchen, eine ganze Stadt für sich von Gemüsezüchtereien, von Gärten und Lusthäusern und kleinen, ineinandergeschachtelten Besitzungen; all diese Pfade und Gäßchen liefen zwischen Mauern hin und bogen mit plötzlichen Wendungen um oder verliefen sich in Sackgassen: eine wunderbare Verteidigungsanlage für den Krieg aus dem Hinterhalte, mit Ecken, die zehn Mann stundenlang gegen ein ganzes Regiment hätten verteidigen können. Schon knatterten einzelne Schüsse, denn die Vorstadt beherrschte Sedan, und die preußische Garde kam von der andern Seite des Tales herüber.
    Als Maurice und Henriette, denen die anderen folgten, sich erst links und dann zwischen zwei unendlich langen Mauern rechts gewandt hatten, stießen sie plötzlich auf die weit offenstehende Türe der Eremitage. Die Besitzung mit ihrem kleinen Parke stieg in drei breiten Stufen empor; auf einer dieser Stufen lag das Wohnhaus, ein großes viereckiges Gebäude, auf das ein Baumgang von hundertjährigen Ulmen zuführte. Gegenüber, durch ein enges Tal von ihm getrennt, lagen andere Besitzungen tief eingebettet am Rande des Waldes.
    Beim Anblick der offenen Tür empfand Henriette eine lebhafte Unruhe.
    »Sie sind nicht mehr da, sie sind sicher weggegangen.«Tatsächlich hatte Dubreuil sich am Tage vorher entschlossen, seine Frau mit den Kindern nach Bouillon zu bringen, denn er war fest von dem heraufziehenden Unheil überzeugt. Das Haus war jedoch nicht leer, denn schon von weitem hörten sie durch die Bäume hindurch heftigen Lärm. Als die junge Frau sich dann in den Baumgang hineinwagte, schreckte sie vor der Leiche eines preußischen Soldaten zurück.
    »Verflucht!« rief Rochas. »Hier haben sie sich auch schon geholzt!«
    Nun wollten aber alle Näheres wissen und drangen bis an das Wohnhaus vor; schon der bloße Anblick gab ihnen Auskunft: Türen und Fenster des Erdgeschosses mußten mit dem Kolben eingeschlagen worden sein, ihre Öffnungen gewährten freien Einblick in die ausgeplünderten Zimmer, aus denen die Einrichtung herausgeworfen war und am Fuße der Freitreppe auf dem Kiese der Terrasse lag. Vor allem stand da ein himmelblaues Sofa und zwölf Lehnstühle aus einem Empfangszimmer kunterbunt um einen großen runden Tisch herum, dessen weiße Marmorplatte gespalten war. Und Zuaven, Jäger, Linieninfanteristen und Marineinfanteristen liefen hinter dem Gebäude und in der Allee umher und schossen auf das kleine gegenüberliegende Gehölz jenseits des Tales.
    »Herr Leutnant,« erklärte ein Zuave Rochas, »wir haben diese Drecklümmel von Preußen hier gerade dabei gefunden, als sie alles plündern wollten. Sie sehen, wir haben mit ihnen abgerechnet... Aber die Schmierfinken kommen ja mit zehn gegen einen wieder, und es wird hier wohl etwas ungemütlich werden.«
    Auf der Terrasse lagen die Leichen drei anderer preußischer Soldaten. Als Henriette sie diesmal, offenbar in Gedankenan ihren toten Gatten, der auch schon dort draußen von Staub und Blut entstellt schlief, genauer ansah, da schlug eine Kugel in einen hinter ihr stehenden Baum, Jean stürzte auf sie los.
    »Bleiben Sie nicht hier!... Schnell, schnell, verbergen Sie sich im Hause!«
    Das Herz wollte ihm vor Mitleid zerspringen, seit er sie

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