Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
ging, ehe sie jemand daran verhindern konnte, in ihrer ruhigen Weise auf den Toten zu. Sie beugte sich vornüber.»Die Aufschläge sind rot!« rief sie. »Ach, ich hätte darauf wetten mögen!«
    Und dann kam sie wieder, während ihr ein Hagel von Kugeln um die Ohren pfiff.
    »Ja, die Aufschläge sind rot, das ist schrecklich... Es ist Vetter Günthers Regiment.«
    Von da an konnten weder Maurice noch Jean sie dazu bringen, sich ruhig in Deckung zu verhalten. Sie war fortwährend in Bewegung und streckte den Kopf vor, um trotz allem in einer ewigen Sorge nach dem kleinen Gehölz hinüberzusehen. Sie schossen beide immer weiter und stießen sie mit den Knien wieder zurück, wenn sie sich zu weit vorwagte. Zweifellos hielten die Preußen ihre Zahl jetzt für stark genug, um anzugreifen, denn sie zeigten sich nun, und ein ständiger Zufluß lief zwischen den Bäumen hin und her; sie erlitten schreckliche Verluste, denn die französischen Kugeln trafen alle und warfen die Leute nieder.
    »Sehen Sie!« sagte Jean plötzlich, »das da ist vielleicht Ihr Vetter... Der Offizier da, der eben aus dem Hause mit den grünen Fensterläden kommt, da gegenüber.«
    Tatsächlich konnten sie drüben einen Hauptmann an seinem goldgestickten Kragen und dem goldenen Adler auf seinem Helm erkennen, der in der schrägfallenden Sonne funkelte. Er war ohne Achselstücke und rief seinen Leuten, den Säbel in der Hand, mit trockener Stimme einen Befehl zu; die Entfernung war so gering, kaum zweihundert Meter, daß man seine schmalen Hüften, das rosige, harte Gesicht mit dem kleinen blonden Schnurrbarte genau erkennen konnte.
    Henriette prüfte mit ihrem durchbohrenden Auge jede Einzelheit genau.»Gewiß ist er es,« antwortete sie ohne jedes Erstaunen. »Ich erkenne ihn sehr gut.«
    Mit einer verrückten Gebärde nahm Maurice ihn aufs Korn.
    »Unser Vetter... Ah, Gottsdonnerwetter! der soll für Weiß bezahlen.«
    Aber zitternd stand sie auf und schlug den Chassepot beiseite, so daß der Schuß gegen den Himmel ging.
    »Nein, nein! Nicht auf Verwandte, auf Leute, die man kennt! Das ist abscheulich!«
    Dann wurde sie wieder ganz Frau und sank hinter dem Baume in sich zusammen, indem sie schluchzend vor sich hin weinte. Der Schrecken gewann die Oberhand über sie, sie war ganz Furcht und Schmerz.
    Rochas dagegen war siegesgewiß. Das Feuer der paar Soldaten um ihn herum, das er mit seiner Donnerstimme belebte, hatte beim Anblick der Preußen eine derartige Kraft angenommen, daß diese sich zurückwandten und in das kleine Holz umkehrten.
    »Haltet aus, Kinder, laßt nicht nach!... Ah! die Wallache, da reißen sie aus, denen wollen wir es schön heimzahlen!«
    Er war fröhlich und schien von einem riesigen Vertrauen erfüllt. Niederlagen gab's gar nicht. Diese Handvoll Leute vor ihm waren für ihn die deutschen Heere, die er nach Gutdünken mit einem Stoß über den Haufen werfen konnte. Sein langer, magerer Körper mit dem langen, knochigen Gesicht, in dem die Adlernase über den heftigen und doch so gutmütigen Mund fiel, alles das drückte in einer gewissen prahlerischen Fröhlichkeit die lachende Freude des Söldners aus, der mit seiner Schönen und einer guten Flasche Wein die Welt erobert.»Bei Gott! Kinder, wir sind doch nur dazu da, sie gründlich zu verhauen ... Anders kann das ja gar nicht ausgehen. Was? das wäre ja eine merkwürdige Veränderung, wenn wir uns schlagen lassen sollten!... Wir geschlagen! Kann man sich so was vorstellen? Noch einen Stoß, Kinder, und sie reißen aus wie die Hasen!«
    Er prahlte und fuchtelte dermaßen herum und war in seiner Herzenseinfalt so tapfer, daß seine Fröhlichkeit auf die Soldaten überging. Plötzlich schrie er:
    »Mit Fußtritten vor den Hintern! Mit Fußtritten vor den Hintern bis an die Grenze!... Sieg! Sieg!«
    Aber gerade in dem Augenblick, als der Feind sich auf der andern Seite des Tales zurückzuziehen schien, ertönte von links her furchtbares Gewehrfeuer. Wieder war es die ewige Umgehungsbewegung, eine ganze Abteilung Garde war um den Givonnegrund herumgegangen. Von nun an wurde die Verteidigung der Eremitage unmöglich; das Dutzend Soldaten, die die Terrassen noch verteidigten, befand sich zwischen zwei Feuern und war in Gefahr, von Sedan abgeschnitten zu werden. Mehrere Leute fielen, und einen Augenblick entstand eine furchtbare Verwirrung. Schon drangen die Preußen über die Parkmauer und kamen durch die Baumgänge in so großer Zahl heran, daß sich nun ein Kampf mit dem

Weitere Kostenlose Bücher