Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Schließlich dehnten sich Äcker und Wiesen in einer riesigen Breite kahlen, baumlosen Geländes aus, das die Windung der Flußschleife umschloß. Vergeblich durchforschten Maurices Blicke den holperigen Abhang des Hügels: er sah nur Artillerie und Kavallerie sich lagern. Von neuem fragte er und wandte sich an einen Unteroffizier von den Chasseurs d'Afrique, der von nichts wußte. Es begann dunkel zu werden, und er setzte sich einen Augenblick an den Wegrand, da ihm die Beine müde geworden waren.
    Da sah er in seiner plötzlichen Hoffnungslosigkeit sich gegenüber am andern Ufer der Maas die fluchbeladenen Felder, auf denen er vor zwei Tagen gekämpft hatte. An diesem hinsterbenden Regentage erschienen sie ihm ein blasses Geisterbild, wie der düstere Rundblick sich so bleigrau, in Schmutz versinkend abrollte. Der Paß von Saint-Albert, der enge Weg, über den die Preußen herangekommen waren, lief an der Schleife entlang bis an eine weißlich erscheinende Stelle, wo der Schutt der Steinbrüche abgeladen wurde. Jenseits der Anhöhe von Seugnon hoben sich die buckligen Gipfel des Falizettegehölzes. Aber gerade vor ihm, etwas links, lag besonders deutlich Saint-Menges, von dem ein Weg herunterlief, der sein Ende an der Fähre fand; in der Mitte lag der Weiler auf dem Hattoy, dann sehr weit weg Illy tief unten,Fleigneur verbarg sich in einer Geländefalte, während Floing rechts wieder näher herankam. Er erkannte das Feld wieder, in dem sie stundenlang zwischen Kohlköpfen gelegen hatten, den Platz, den die Reserveartillerie zu verteidigen versucht hatte, den Gipfel, auf dem er Honoré auf seinem zerschmetterten Geschütz hatte sterben sehen. All das Scheußliche dieses Unheilstages stieg wieder in ihm empor und brach mit all seinen Leiden und einem bis zum Erbrechen gesteigerten Ekel über ihn herein.
    Die Furcht, hier von der dunklen Nacht überrascht zu werden, ließ ihn seine Nachforschungen wieder aufnehmen. Vielleicht lagerten die 106er auf dem niedrigen Gelände jenseits des Dorfes. Er fand aber nur Herumstreicher und entschloß sich, an der Schleife entlang um die Halbinsel herumzugehen. Als er über ein Kartoffelfeld schritt, buddelte er vorsichtigerweise ein paar aus und steckte sie in die Tasche; sie waren zwar noch nicht reif, aber er hatte nichts anderes, denn um sein Unglück voll zu machen, hatte Jean darauf bestanden, sich mit den beiden Broten zu bepacken, die Delaherche ihnen beim Abschied mitgegeben hatte. Was ihn jetzt in Erstaunen versetzte, war die große Anzahl Pferde, die er auf dem kahlen Gelände antraf, das sich von dem in der Mitte gelegenen Berge sanft gegen die Maas nach Donchery hin abdacht. Wozu hatten sie wohl diese Menge Tiere hergebracht? Wie sollten die ernährt werden? Es war finstere Nacht geworden, als er an ein kleines Gehölz am Rande des Wassers kam, in dem er zu seiner Überraschung die Hundertgarden des Kaisers vorfand, die sich schon eingerichtet hatten und sich an mächtigen Feuern trockneten. Diese Herren, die sich hier abseits lagerten, hatten schöne Zelte; ihre Kessel kochten bereits und an einem Baume war eine Kuh angebunden. Er fühlte sofort,wie sie ihn bei seiner bejammernswerten Verwahrlosung als zerlumpten, mit Schmutz bedeckten Stoppelhopser über die Achsel anguckten. Indessen erlaubten sie ihm doch, sich seine Kartoffeln in der Asche zu braten, und dann zog er sich hundert Meter weiter an den Fuß eines Baumes zurück, um sie zu essen. Es regnete nicht mehr, der Himmel hatte sich aufgeklärt, die Sterne funkelten lebhaft auf dem Grunde der blauen Finsternis. Jetzt hielt er es für das richtigste, die Nacht hier zuzubringen, denn von hier aus konnte er am andern Morgen seine Nachforschungen leicht fortsetzen. Er war ganz zerschlagen von Müdigkeit; der Baum würde ihn immerhin etwas schützen, falls der Regen wieder anfangen sollte.
    Aber er konnte nicht einschlafen, da ihn der Gedanke an dies weite Freiluftgefängnis, in das er sich eingeschlossen fühlte, zu sehr beschäftigte. Die Preußen waren da auf einen wirklich ganz einzigartig schlauen Gedanken verfallen, indem sie hier die von der Heeresgruppe von Châons übergebliebenen achtzigtausend Mann zusammenpferchten. Die Halbinsel konnte etwa eine Meile Länge bei anderthalb Kilometern Breite haben, auf denen man leicht die riesigen aufgelösten Überreste der Besiegten unterbringen konnte. Er gab sich vollkommene Rechenschaft darüber, daß das Wasser sie in ununterbrochener Linie umgab, die Maasschleife

Weitere Kostenlose Bücher