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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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loszuschicken, um sich den Schädel einschlagen zu lassen, für solche Dreckgeschichten, von denen sie auch nicht ein einziges Wort verstehen!«
    Und so ging es weiter. Er war ein richtiger Wortverdreher, der schlechte Arbeiter von Montmartre, der herumstrolchende und saufende Anstreicher, der den Sinn der in Volksversammlungen gehörten Reden schlecht verdaut hatte und abstoßende Eseleien mit den großen Grundsätzen von Freiheit und Gleichheit vermengte. Er wußte alles und zwang seinenKameraden, vor allen Lapoulle, aus dem er einen fixen Kerl zu machen versprochen hatte, seine Lehren auf.
    »Nicht wahr, Alter? das ist doch ganz einfach!... Wenn Badinguet und Bismarck sich zanken, dann sollen sie es unter sich mit den Fäusten ausmachen ohne Hunderttausende von Leuten zu stören, die sich nicht einmal kennen und keine Lust haben, sich zu schlagen!«
    Der ganze Wagen lachte vor Vergnügen und fühlte sich ganz überwältigt, und Lapoule, der keine Ahnung hatte, wer Badinguet wäre, ja sogar nicht imstande gewesen wäre, zu sagen, ob er sich für einen Kaiser oder einen König schlage, wiederholte in seiner Riesenkinderweise:
    »Ganz gewiß, mit den Fäusten, und nachher stoßen sie wieder an!«
    Aber Chouteau hatte sich zu Pache gewendet, den er jetzt vornehmen wollte.
    »Du bist ja so einer, der an den lieben Gott glaubt... Der hat doch verboten, daß man sich schlägt, dein lieber Gott. Warum bist du denn hier, du Gimpel?«
    »Ja!« versetzte Pache in Verwirrung, »ich bin doch natürlich nicht zu meinem Vergnügen hier... Aber die Gendarmen...«
    »Ach was! Flausen! die Gendarmen! auf die pfeift man.. Wißt ihr wohl, was wir täten, wir alle, wenn wir ordentliche Kerls wären?... Sofort wenn wir ausgeladen werden, würden wir ausreißen, jawohl! ganz ruhig ausreißen, und würden dies dicke Schwein von Badinguet und seine Zwei-Groschen-Generäle sich aus der Klemme ziehen lassen, so gut sie's können, mit ihren Dreckpreußen!«
    Bravos ertönten, die Verdrehung wirkte, und Chouteau setzte mit Siegermiene seine Lehren auseinander, in denensich eine trübe Flut durcheinander wälzte von Republik, Menschenrechten, Fäulnis des Kaiserreiche, das man niederwerfen müßte, Verrat aller ihrer Befehlshaber, die jeder für eine Million gekauft wären, als ob das schon bewiesen wäre. Er selbst bekannte sich als Umsturzmann; die andern wußten jedoch weder, ob sie Republikaner wären, noch wie sie es werden könnten, mit Ausnahme von Loubet, dem Leckermaul, der auch wußte, was er wollte, und immer nur an seine Suppe dachte; nichtsdestoweniger ließen sich alle hinreißen und schrien gegen den Kaiser, die Offiziere, den ganzen verfluchten Laden, aus dem sie fix auskneifen würden, sowie es ihnen zu dumm würde. Und während Chouteau ihre wachsende Betrunkenheit anfachte, erspähte er mit einem Seitenblick Maurice, den »Herrn«, den er gern unterhielt, auf dessen Gegenwart er stolz war, und zwar so sehr, daß er, um ihn in Leidenschaft zu bringen, auf den Gedanken verfiel, sich auf Jean zu werfen, der bis dahin mitten in diesem Heidenlärm unbeweglich und wie schlafend mit halb geschlossenen Augen dagesessen hatte. Wenn der Freiwillige von der harten Lehre her, die er von dem Korporal durch den Zwang, sein Gewehr wieder aufzunehmen, empfangen hatte, noch Groll gegen seinen Vorgesetzten empfand, so war dies eine gute Gelegenheit, die beiden Männer aufeinander zu hetzen.
    »Ich weiß schon jemand, der davon redete, uns erschießen zu lassen,« fing Chouteau drohend wieder an. »Drecklümmel, die uns schlechter behandeln als das Vieh, die nicht mal begreifen, daß, wenn man von dem Affen und der Flinte genug hat, weg damit! schmeißt man das Zeug ins Feld und sieht, ob da nicht mehr danach wachsen! ... Nicht wahr, Kameraden, was würden die wohl sagen, wenn wir sie jetzt, wo wir sie in so 'ner netten Ecke haben, nun mal auf die Schienenschmissen?... So ist's doch, nicht wahr? Denen müssen wir es mal zeigen, damit sie uns nicht länger mit ihrem dreckigen Krieg elenden! Tod den Wanzen Badinguets! Schlagt sie tot, die Dreckspatzen, die verlangen, daß wir uns schlagen!«
    Jean war infolge des zornigen Blutstroms, der ihm zuweilen bei seinen seltenen Leidenschaftsausbrüchen ins Gesicht stieg, dunkelrot geworden. Obwohl er durch seine Nachbarn wie in einen lebenden Schraubstock eingeklemmt war, stand er doch auf und drängte dem andern seine geballten Fäuste und sein glühendes Gesicht mit so schrecklicher Miene entgegen,

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