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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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neuen Unglücksschlages. Gerade während eines dieser Vorkommnisse war es, gegen Mitte Oktober, daß Herr von Gartlauben zum erstenmal eine Probe gewissen Zartgefühls ablegte. Seit dem Morgen lebte Sedan etwas wieder auf unter der Hoffnung, die das Gerücht von einem großen Erfolge der Loireabteilung verbreitet hatte; sie sollte im Begriff stehen, Paris zu entsetzen. Aber zu oft schon hatten sich die besten Nachrichten in Unglücksbotschaften verwandelt! Und am Abend hörte man tatsächlich, die bayrische Armee habe sich Orleans bemächtigt. In einem der Fabrik gegenüberliegenden Hause in der Rue Macqua vollführten die Soldaten einen derartigen Lärm, daß der Hauptmann, der gesehen hatte, wie angegriffen Gilberte war, sie zum Schweigen brachte, da auch er diesen Lärm für unangebracht hielt. Der Monat verging, Herr von Gartlauben hatte sich zu noch weiteren kleinen Gefälligkeiten bewogen gefühlt. Die preußischen Behörden hatten den Verwaltungsdienst umgebildet; es war ein deutscher Unterpräfekt eingesetzt worden, was übrigens die Fortdauer der Scherereien nicht verhinderte, obwohl dieser sich als verhältnismäßig vernünftig erwies.Unter den ewigen Schwierigkeiten zwischen der Kommandantur und dem Stadtrat war eine der häufigsten die Beschlagnahme von Fuhrwerk; und es gab einen gewaltigen Krach, als Delaherche eines Morgens seinen mit zwei Pferden bespannten Wagen nicht nach der Unterpräfektur schicken konnte: der Bürgermeister wurde einen Augenblick festgenommen; er selbst wäre mit auf die Zitadelle gekommen ohne Herrn von Gartlauben, der lediglich durch seine Verwendung allen Zorn beschwichtigte. An einem andern Tage erwirkte sein Dazwischentreten der Stadt einen Aufschub, als sie zur Zahlung von dreißigtausend Francs Buße verurteilt war, um sie für angebliche Verzögerung der Wiederherstellungsarbeiten an der Brücke von Villette zu bestrafen, einer Brücke, die von den Preußen zerstört worden war, eine bejammernswerte Geschichte, die Sedan an den Abgrund brachte und niederschmetterte. Aber vor allem nach der Übergabe von Metz geriet Delaherche seinem Gaste gegenüber in eine wirkliche Dankesschuld. Die schreckliche Nachricht brach über die Einwohner wie ein Donnerschlag herein, der ihre letzten Hoffnungen vernichtete; und von der folgenden Woche an kam es abermals zu verheerenden Truppendurchmärschen, als der Menschenstrom sich von Metz herabzog, die Heeresgruppe des Prinzen Friedrich Karl sich gegen die Loire hinlenkte, die des Generals von Manteuffel auf Amiens und Rouen zog und andere Korps die Belagerer vor Paris verstärkten. Mehrere Tage lang waren die Häuser mit Soldaten vollgepfropft, Bäckereien und Schlächtereien waren bis auf die letzte Krume ausgefegt, bis zum letzten Knochen, das Straßenpflaster strömte fortwährend einen Schweißgeruch aus wie nach dem Durchzug einer großen wandernden Herde. Nur die Fabrik in der Rue Macqua hatte unter demÜberfluß menschlichen Schlachtviehs nicht zu leiden; sie wurde durch eine freundschaftliche Hand bewahrt, die sie lediglich zur Unterkunft für ein paar Führer von guter Erziehung bestimmte.
    Delaherche trat denn auch schließlich aus seiner kalten Haltung heraus. Die Bürgerfamilien hatten sich in ihren Wohnungen eingeschlossen und vermieden jeden Verkehr mit den Offizieren, die sie beherbergten. Er aber, den sein ewiger Hang zum Reden, zum Gefallen, zum Lebensgenuß antrieb, litt bereits unter der Rolle eines besiegten Schmollers. Sein großes, stummes, vereistes Haus, in dem jeder für sich in steifem Haßgefühl zu leben schien, lag ihm furchtbar schwer auf dem Herzen. Und so begann er eines Tages damit, daß er Herrn von Gartlauben auf der Treppe anhielt, um ihm für seine Gefälligkeiten zu danken. Allmählich wurde ihm das zur Gewohnheit; die beiden Männer wechselten jedesmal, wenn sie sich trafen, ein paar Worte, so daß sich der preußische Hauptmann eines Abends im Wohnzimmer des Fabrikanten in der Ecke neben dem Kamin sitzend fand, in dem riesige Eichenklötze brannten, und dort eine Zigarre rauchte, während er ganz freundschaftlich über die neuesten Nachrichten plauderte. Die ersten vierzehn Tage erschien Gilberte überhaupt nicht; er tat auch so, als wisse er gar nichts von ihrem Dasein, obwohl er beim leichtesten Geräusch seine Blicke auf die Tür des benachbarten Zimmers richtete. Es schien, als wolle er sie seine Stellung als Sieger vergessen machen; er zeigte eine umfassende, ungezwungene Gesinnung und scherzte

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