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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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stets geschlossen, die Straßen von der Dämmerung ab verlassen, unter dem schweren Schritt und dem rauhen Rufe der Streiftrupps. Keine Zeitung, kein Brief kam mehr herüber; es war ein vermauertes Gefängnis, eine plötzliche Abtrennung angesichts all der neuen Schicksalsschläge, die man kommenfühlte, von denen man nichts wußte, sie aber doch befürchtete. Um das Unglück vollständig zu machen, drohte Mangel auszubrechen. Eines Morgens gab's beim Erwachen kein Brot, kein Fleisch mehr, das Land war verwüstet, wie von einem Heuschreckenschwarm abgefressen seit der einen Woche, in der Hunderttausende von Menschen ihren entuferten Strom darüber hinweggewälzt hatten. Die Stadt besaß nur noch für zwei Tage Lebensmittel; sie mußte sich an Belgien wenden, und alles kam jetzt über die offene Grenze aus dem Nachbarlande, denn die Zollüberwachung war verschwunden, ebenfalls mit in das Verhängnis hineingerissen. Und dann kamen die fortdauernden Quälereien, der jeden Morgen wieder beginnende Kampf zwischen der in der Unterpräfektur eingerichteten preußischen Kommandantur und dem dauernd im Stadthause tagenden Stadtrat. Aber hielt dieser auch bei allem heldenhaften Widerstande seiner Verwaltung große Reden und wich nur Schritt für Schritt zurück, die Bürger brachen unter den immer zunehmenden Anforderungen zusammen, unter der Willkür und der ungeheuerlichen Häufigkeit der Forderungen.
    Delaherche litt zunächst sehr unter den Soldaten und Offizieren, die er bei sich unterbringen mußte. Alle Völkerstämme kamen bei ihm mit der Pfeife zwischen den Zähnen durch. Jeden Tag fielen so aus dem blauen Himmel zweitausend, dreitausend Mann über die Stadt her, Infanteristen, Kavalleristen, Artilleristen; und obwohl die Leute nur Anrecht auf Behausung und Feuerung hatten, mußte er doch oft laufen, um Lebensmittel zu besorgen. Die Zimmer, in denen sie sich aufhielten, waren von abstoßendem Schmutz erfüllt. Oft kamen die Offiziere betrunken nach Hause und benahmen sich noch unerträglicher als ihre Soldaten. Aber es hielt sieein so mächtiger Gehorsam zusammen, daß Gewalttätigkeiten und Plünderungen nur selten vorkamen. In ganz Sedan konnten nur zwei Fälle angeführt werden, in denen Frauen vergewaltigt worden waren. Das kam erst später, infolge des Widerstandes von Paris, daß sie die Härte ihrer Herrschaft fühlbar werden ließen, als sie voller Verzweiflung sahen, wie der Kampf sich eine Ewigkeit fortzog und sie über die Haltung der Provinz in Unruhe gerieten, da sie fortwährend eine Massenerhebung befürchten mußten, den Wolfskrieg, den die Franktireurs ihnen erklärt hatten.
    Delaherche hatte gerade wieder den Kommandeur eines Kürassierregiments bei sich wohnen gehabt, der in seinen Stiefeln schlief und, als er fortging, einen bis an den Kamin heraufreichenden Schmutz hinterließ, als in der zweiten Septemberhälfte Herr von Gartlauben an einem sündflutartigen Regenabend zu ihm hereinfiel. Die erste Stunde war recht übel. Er sprach laut, verlangte das beste Zimmer, ließ seinen Säbel auf den Treppenstufen klappern. Sowie er aber Gilberte bemerkte, wurde sein Benehmen anständig, er schloß sich ein und ging mit steifer Miene, aber höflich grüßend einher. Er wurde sehr umschmeichelt, denn man wußte sehr wohl, daß ein Wort von ihm bei dem Oberst, der Sedan befehligte, genügte, um eine Beschlagnahme zu mildern oder einen Mann freizulassen. Kürzlich hatte sein Onkel, der Generalgouverneur in Reims, eine Bekanntmachung von kalter Grausamkeit erlassen, in der der Belagerungszustand verkündigt und jede Person mit Todesstrafe bedroht wurde, die dem Feinde Vorschub leistete, sei es als Spion, durch Irreführung der seiner Führung anvertrauten deutschen Truppen oder durch Zerstörung von Brücken und Geschützen sowie durch Beschädigung von Telegraphen- und Eisenbahnlinien.Der Feind, das waren die Franzosen; und das Herz sprang den Einwohnern aus dem Halse, als sie die großen weißen, an die Tür der Kommandantur angeklebten Anschläge lasen, die ihre Sorgen und ihre Wünsche zu Verbrechen stempelten. Es war schon so hart, die neuesten Siege der deutschen Heere aus den Hurras der Besatzung zu entnehmen. Jeder Tag brachte neuen Kummer; die Soldaten zündeten große Freudenfeuer an, sangen und betranken sich die ganze Nacht, während die Einwohner, die jetzt gezwungen waren, von neun Uhr an zu Hause zu bleiben, tief in ihren dunklen Häusern zuhörten, ganz hin vor Ungewißheit in der Ahnung eines

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