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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ich sprach doch noch heute morgen darüber ... Oh, Liebste, da hast du sehr recht getan, daß du kamst; sofort müssen wir uns deines Ohms annehmen, denn die letzten Auskünfte, die ich bekommen habe, lauten gar nicht gut. Sie wollen ihn als Beispiel hinstellen.«
    »Ja, da dachte ich an euch,« fuhr Henriette mit zögernder Stimme fort. »Ich dachte, du könntest mir wohl einen guten Rat geben, du könntest vielleicht etwas unternehmen ...«
    Die junge Frau brach in ein wohlklingendes Lachen aus.
    »Bist du dumm; ich werde deinen Ohm schon loskriegen, ehe drei Tage um sind. Hat man dir nicht gesagt, daß ich hier im Hause einen preußischen Hauptmann habe, der alles tut, was ich will? ... Weißt du, Liebste, der kann mir nichts abschlagen!«
    Und sie lachte immer stärker, geradezu wie unsinnig über diesen Sieg ihrer Gefallsucht; sie hielt ihre Freundin bei beiden Händen und liebkoste sie, während diese in ihrem Unbehagen kein Wort des Dankes fand und von der Furcht gequält wurde, es läge ein Geständnis darin. Und dabei diese Heiterkeit, diese fröhliche Frische!
    »Laß mich nur machen, du sollst heute abend schon zufrieden wieder nach Hause gehen!«
    Als sie ins Speisezimmer hinübergingen, blieb Henriette voll Überraschung über Edmonds zarte Schönheit stehen, den sie noch nicht kannte. Er entzückte sie wie etwas sehr Niedliches. War es möglich, daß dieser Knabe schon gefochten hatte, und daß sie ihm den Arm hatten zerschmettern können? Die Sage von seiner großen Tapferkeit machte ihn überaus reizend, und Delaherche, der Henriette aufnahm wie jemand, der glücklich darüber ist, ein neues Gesicht um sich zusehen, hörte, während Rippenstückchen mit Pellkartoffeln herumgereicht wurden, gar nicht auf, das Loblied seines Sekretärs zu singen, der ebenso tätig und wohlerzogen wie hübsch sei. Das Frühstück so zu vieren in dem wohlerwärmten großen Speisezimmer nahm einen Anstrich entzückender Vertraulichkeit an.
    »Also Sie sind gekommen, um unsere Teilnahme an dem Geschick Vater Fouchards zu erregen?« fing der Fabrikant wieder an. »Recht ärgerlich, daß ich heute abend verreisen muß ... Aber meine Frau wird das schon in Ordnung bringen; sie ist unwiderstehlich, sie erreicht alles, was sie will.«
    Er lachte und sprach mit vollkommener Gutmütigkeit darüber, einfach weil diese Macht ihm selbst schmeichelte und er in gewisser Weise stolz auf sie war. Dann meinte er plötzlich:
    »Oh, bei der Gelegenheit, mein Liebling, hat Edmond dir übrigens schon von seinem Fund erzählt?«
    »Nein, von was für einem Fund?« fragte Gilberte fröhlich und wandte ihre Augen voller Zärtlichkeit zu dem jungen Sergeanten.
    Aber der wurde rot wie aus Übermaß an Freude, jedesmal wenn eine Frau ihn derartig ansah.
    »Mein Gott, gnädige Frau, es handelt sich lediglich um ein paar alte Spitzen, die es Ihnen sicher leid tun würde, nicht als Besatz für Ihr malvenfarbiges Morgenkleid zu besitzen ... Ich hatte gestern das Glück, fünf Meter alte Brüsseler zu entdecken, wirklich wunderschön und sehr billig. Die Verkäuferin wird sie Ihnen gleich zeigen.«
    Sie war entzückt und hätte ihn küssen mögen.
    »Ach, wie sind Sie nett; dafür muß ich Sie belohnen!«
    Als dann noch eine Schüssel in Belgien erstandener Gänseleberpastete herumgereicht wurde, wandte sich die Unterhaltungund blieb einen Augenblick dabei stehen, daß die Fische in der Maas jetzt an Vergiftung stürben; schließlich verfiel sie auf die Pestgefahr, die Sedan beim nächsten Tauwetter bedrohe. Schon im November waren einzelne Fälle der Seuche aufgetreten. Was nützte es, wenn nach der Schlacht sechstausend Francs für Reinigung der Stadt ausgegeben und alle Tornister, Patronentaschen und alle übrigen verdächtigen Überreste auf einem Haufen verbrannt wurden: die umliegenden Felder strömten trotzdem bei der geringsten Feuchtigkeit einen ekelerregenden Geruch aus, so waren sie mit kaum eingescharrten Leichen überfüllt, die manchmal nur mit wenigen Zentimetern Erde bedeckt waren. Überall erhoben sich Grabhügel auf den Feldern, der Erdboden spaltete sich unter dem innern Druck und die Jauche sickerte hervor und stank. Und gerade in den letzten Tagen hatte man in der Maas eine andere Ansteckungsquelle entdeckt, aus der indessen bereits über zwölfhundert Pferdekadaver entfernt worden waren. Die öffentliche Meinung hatte sich bereits dahin ausgesprochen, daß nun keine menschlichen Leichen mehr vorhanden wären, als ein Feldwächter,

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