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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der genau hinsah, in über zwei Meter Wassertiefe etwas Weißes entdeckte, das für Steine gegolten hatte: das waren Haufen von Leichen, denen die Eingeweide bereits fehlten, so daß sie, da sie sich nicht mehr aufblähen konnten, nicht mehr an die Oberfläche geraten konnten. Seit länger als vier Monaten lagen sie da zwischen den Pflanzen im Wasser. Mit Haken brachte man dann Arme, Beine und Köpfe herauf. Die Kraft der Strömung genügte schon, eine Hand abzureißen und wegzutreiben. Das Wasser wurde trübe, große Gasblasen stiegen auf und verpesteten beim Platzen die Luft mit einem ansteckenden Gestank.
    »Solange es friert, geht's ja noch,« bemerkte Delaherche. »Sobald aber der Schnee verschwindet, werden wir Vorkehrungen treffen müssen, um das alles unschädlich zu machen; sonst gehen wir alle drauf.«
    Und als seine Frau ihn lachend bat, doch zu passenderen Gesprächsgegenständen überzugehen, solange sie äßen, da schloß er einfach:
    »Natürlich, nun ist der Fisch aus der Maas auch für lange Zeit verdächtig!«
    Aber sie waren fertig, es wurde Kaffee herumgereicht, als das Dienstmädchen meldete, Herr von Gartlauben bitte um die Gunst, einen Augenblick eintreten zu dürfen. Delaherche ließ ihn sofort hereinführen, denn er sah da eine gute Gelegenheit, die es ermöglichte, ihm Henriette bekanntzumachen. Und als der Hauptmann beim Eintreten noch eine zweite junge Dame vorfand, kehrte er seine Höflichkeit noch mehr hervor. Er nahm sogar eine Tasse Kaffee an und trank sie ohne Zucker, wie er das von vielen Leuten in Paris gesehen hatte. Wenn er übrigens darauf gedrungen hatte, empfangen zu werden, so geschah es nur, um der gnädigen Frau sofort mitteilen zu können, daß er das Glück gehabt habe, die Freisprechung eines ihrer Schützlinge zu erreichen, eines unglücklichen Fabrikarbeiters, der infolge eines Streites mit einem preußischen Soldaten gefangen gesetzt worden war.
    Nun nahm Gilberte die Gelegenheit wahr, von Vater Fouchard zu sprechen.
    »Herr Hauptmann, hier stelle ich Ihnen eine meiner liebsten Freundinnen vor ... Sie möchte sich unter Ihren Schutz stellen; sie ist die Nichte des Bauern, der in Remilly verhaftet wurde, wissen Sie, infolge der Geschichte da mit den Franktireurs.«
    »Ach ja! Die Sache mit dem Spion, dem Unglücklichen, den man da in einem Sack gefunden hat ... Oh! das ist sehr ernst, sehr ernst! Ich fürchte, da werde ich nichts machen können.«
    »Herr Hauptmann, Sie würden mir eine so große Freude machen!«
    Sie sah ihn mit ihren zärtlichen Augen an, und er fühlte sich ganz selig vor Befriedigung und verbeugte sich in zuvorkommendem Gehorsam. Ganz wie sie wünschte!
    »Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, mein Herr«, brachte Henriette mühsam hervor, von einem unüberwindlichen Unbehagen ergriffen, als sie an den raschen Tod ihres Mannes, des armen, da unten in Bazeilles erschossenen Weiß, dachte.
    Aber Edmond, der beim Eintreten des Hauptmannes bescheiden weggegangen war, kam wieder herein und sagte Gilberte etwas ins Ohr. Sie stand voller Lebhaftigkeit auf und erzählte die Geschichte von den Spitzen, die die Verkäuferin ihr brächte; sie entschuldigte sich und ging hinter dem jungen Manne her. Nachdem Henriette nun mit den beiden Männern allein geblieben war, konnte sie sich absondern und setzte sich in eine der Fensternischen, während die beiden ganz laut weiterredeten. »Herr Hauptmann, Sie nehmen doch ein kleines Glas ... Sehen Sie, ich nehme kein Blatt vor den Mund, ich sage Ihnen alles, weil ich Ihre weitherzige Gesinnung kenne. Na schön, ich versichere Sie, Ihr Präfekt tut Unrecht, wenn er die Stadt noch einmal um zweiundvierzigtausend Francs schröpfen will ... Denken Sie doch nur mal an die Gesamtsumme unserer Opfer von Anfang an. Zunächst am Tage vor der Schlacht ein ganzes französisches Heer erschöpft, ausgehungert. Dann kamen Sie und hatten auch keine langenZähne. Allein die Durchzüge der Truppen, die Anforderungen, die Bußen, alle möglichen andern Ausgaben haben uns anderthalb Millionen gekostet. Setzen Sie die Beschädigungen, die die Schlacht verursacht hat, die Zerstörungen, die Brände ebensohoch ein: das macht drei Millionen. Endlich schätze ich den von Handel und Industrie erlittenen Verlust auch auf gut zwei Millionen ... Na, was sagen Sie dazu? Da kommen wir auf die Zahl von fünf Millionen für eine Stadt von dreizehntausend Einwohnern! Und nun verlangen Sie wieder eine Buße von zweiundvierzigtausend Francs unter ich weiß

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