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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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eines Morgens die Freude, Vater Fouchard ruhig auf den Hof kommen zu sehen, als käme er zu Fuß vom Abschluß eines Geschäftes in der Nachbarschaft nach Hause. Er setzte sich und aß ein Stück Brot mit Käse. Dann antwortete er auf alle Fragen ohne jede Hast mit der Miene jemandes, der niemals Furcht gekannt hat. Warum hatten sie ihn denn festhalten sollen? Er hatte doch nichts Böses getan. Er hatte doch den Preußen nicht umgebracht, nicht wahr? Er hatte auch den Behörden nichts weiter gesagtals: »Sucht doch, ich weiß von nichts.« Und sie hatten ihn wohl loslassen müssen, und den Ortsvorsteher auch, weil sie ja doch keine Beweise gegen sie hatten. Aber seine gerissenen, spöttischen Bauernaugen funkelten vor stummer Freude, daß er doch alle diese dreckigen Lumpen ordentlich reingelegt hatte, von denen er jetzt übrigens genug hatte, nun sie anfingen, ihm Scherereien wegen der Beschaffenheit seines Fleisches zu machen.
    Der Dezember ging zu Ende und Jean wollte fort. Sein Bein war jetzt wieder kräftig, und der Doktor erklärte, er könne wieder fechten. Und das war ein großer Schmerz für Henriette, aber sie suchte ihn zu verbergen. Seit der unglücklichen Schlacht bei Champigny hatten sie keine Nachricht mehr aus Paris erhalten. Sie wußten nur, daß Maurices Regiment einem furchtbaren Feuer ausgesetzt gewesen sei und viele Leute verloren habe. Im übrigen immer nur dies tiefe Schweigen, kein Brief, keine Zeile für sie, während sie doch wußten, daß Familien in Raucourt und Sedan auf abgelegenen Wegen Depeschen erhalten hatten. Vielleicht war die Taube, die ihnen die so glühend ersehnte Nachricht heranbrachte, auf einen gefräßigen Sperber gestoßen; oder vielleicht war sie an irgendeinem Waldrande, von der Kugel eines Preußen durchbohrt, niedergefallen. Was ihnen aber vor allem wie ein Gespenst vor Augen stand, das war die Furcht, Maurice sei tot. Das Schweigen der großen Stadt dort hinten, die stumm in der Umklammerung der Einschließung lag, wurde in der Angst ihrer Erwartung zum Schweigen des Grabes. Sie hatten jede Hoffnung aufgegeben, noch etwas zu erfahren, und als Jean nun seinen ganz bestimmten Willen ausdrückte, fortzugehen, da hatte Henriette nur eine dumpfe Klage.
    »Mein Gott! Dann ist's zu Ende, und ich bleibe ganz allein!«
    Jeans Wunsch war, zum Nordheere zu stoßen, das General Faidherbe gerade frisch aufgestellt hatte. Seitdem General von Manteuffels Korps bis Dieppe vorgestoßen war, verteidigte diese Gruppe die drei vom übrigen Frankreich abgesonderten Bezirke, Nord, Pas-de-Calais und Somme; und Jeans leicht durchführbarer Plan ging dahin, Bouillon zu gewinnen und dann durch Belgien zu gehen. Er wußte, daß sie ein vollständiges Korps, das dreiundzwanzigste, aus all den alten Soldaten von Sedan und Metz aufstellten, die sie sammeln konnten. Er hatte auch erzählen hören, General Faidherbe wolle zum Angriff übergehen, und setzte daher seinen Fortgang endgültig auf den nächsten Sonntag fest, als er von der Schlacht bei Noyelle erfuhr, dieser Schlacht mit unentschiedenem Ausgange, die die Franzosen beinahe gewonnen hätten.
    Wieder war es Doktor Dalichamp, der sich anbot, ihn mit seinem kleinen Wagen nach Bouillon zu bringen. Er war von unerschöpflichem Mut und Hochsinn. In Raucourt, das der durch die Bayern eingeschleppte Typhus verheerte, hatte er Kranke in allen Häusern, außer den beiden Lazaretten, die er zu besuchen hatte, dem in Raucourt selbst und dem in Remilly. Seine glühende Vaterlandsliebe, sein Drang, gegen unnütze Gewaltmaßregeln Verwahrung einzulegen, hatten schon zweimal dazu geführt, daß er von den Preußen festgenommen, nachher aber wieder freigelassen worden war. Am Morgen, als er erschien, um Jean mit seinem Fuhrwerk mitzunehmen, zeigte er sein gutherziges Lachen und war glücklich darüber, daß er wieder einem der Besiegten von Sedan zum Auskneifen verhelfen könne, all diesen armen,tapferen Leuten, wie er sagte, die er aus seiner eigenen Tasche verpflegte und unterstützte. Jean, der sehr unter der Geldfrage litt, da er wußte, wie arm Henriette sei, hatte die ihm vom Doktor für die Reise angebotenen fünfzig Francs angenommen.
    Vater Fouchard machte seine Sache beim Abschied sehr gut. Er ließ durch Silvine zwei Flaschen Wein holen und verlangte, sie sollten alle zusammen noch ein Glas auf die Vernichtung der Deutschen trinken. Er war jetzt ein großer Herr und hielt seinen Schatz irgendwo verborgen; und da er sich beruhigt fühlte, seitdem

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