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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Adjutant sei zurück und es ginge wieder rückwärts, entrang sich jeder Brust die Erleichterung in einem Seufzer tiefer Freude.
    Also hatte doch die Partei der Vernunft die Oberhand behalten. Der Kaiser und der Marschall, die nie für den Marsch auf Verdun gewesen waren und nun unruhig wurden, als sie erfuhren, daß sie aufs neue überflügelt waren und sie die Heeresgruppen des Kronprinzen von Preußen sich gegenüber hatten, verzichteten auf die unwahrscheinliche Vereinigung mit Bazaine und zogen sich auf die festen Plätze im Norden zurück, um sich nachher auf Paris zurückbewegen zu können. Das siebente Korps erhielt Befehl, über le Chêne wieder nach Chagny hinaufzusteigen, während das fünfte Korps auf Poix, das erste und zwölfte auf Vendresse marschieren sollten. Wenn es nun doch also zurückging, warum war man dann bis zur Aisne vorgestoßen, warum soviel verlorene Tage voller Müdigkeit, wenn es von Reims aus so leicht gewesen wäre, so folgerichtig, sofort feste Stellungen im Marnetal einzunehmen? War denn gar keine Leitung da, keine militärische Veranlagung, kein gesunder Menschenverstand? Aber sie fragten gar nicht mehr, sondern verziehen alles in ihrer Freude über diesen vernunftgemäßen Entschluß, den einzigen, der sie aus dem Wespennest herausziehen konnte, in das man sie gesteckt hatte. Von den Generälen bis zu den einfachen Soldatenherunter hatten alle dies Gefühl, nun wieder stark, vor Paris geradezu unüberwindlich zu werden, so daß man die Preußen notwendig schlagen müsse. Vouziers aber mußte bei Tagesanbruch geräumt werden, damit sie unterwegs gegen le Chêne wären, ehe sie angegriffen würden, und sofort füllte sich das Lager mit einer ungewöhnlichen Bewegung, Hörner ertönten und Befehle kreuzten sich; das Gepäck und der Verwaltungstrain dagegen zogen schon voraus, um die Nachhut nicht zu belasten.
    Maurice war entzückt. Als er dann versuchte, Jean die beabsichtigte Rückzugsbewegung zu erklären, entschlüpfte ihm ein Schmerzensschrei; seine Erregung hatte nachgelassen, er fühlte wieder, wie ihm sein Fuß schwer wie Blei am Beine hing.
    »Nanu? geht's wieder los?« fragte der Korporal trostlos.
    Mit seinem praktischen Verstande kam er auf einen Gedanken.
    »Hör' mal, Junge, du hast mir erzählt, du kennst Leute da in der Stadt. Du solltest dir vom Stabsarzt die Erlaubnis geben lassen, mit einem Wagen nach le Chêne zu fahren, wo du eine gute Nacht in einem guten Bett verbringen kannst. Wenn es dir morgen besser geht, holen wir dich beim Durchmarsch wieder... Na, ist das nicht recht?«
    Gerade in Falaise, dem Dorf, bei dem sie lagerten, hatte Maurice einen alten Freund seines Vaters wiedergefunden, einen kleinen Pachter, der seine Tochter zu einer Tante nach le Chéne bringen wollte und dessen Pferd, vor einen leichten Wagen gespannt, wartete.
    Bei dem Stabsarzt Bouroche nahm aber die Geschichte nach den ersten Worten eine üble Wendung.
    »Herr Doktor, mein Fuß hat sich wundgerieben...«Mit einem Löwengebrüll schüttelte Bouroche seinen mächtigen Kopf und schrie:
    »Ich bin nicht Herr Doktor ... Wer jagt mir denn da so einen Dämlack zu?«
    Und da Maurice voller Bestürzung eine Entschuldigung stammelte, fing er wieder an:
    »Ich bin der Herr Stabsarzt, hören Sie wohl, Sie Viech!«
    Als er dann aber sah, mit wem er es zu tun hatte, mochte er sich wohl etwas schämen; aber das machte ihn erst recht ärgerlich.
    »Ihr Fuß, die alte Geschichte! ... Ja, ja, ich erlaube es Ihnen! Gehen Sie mit einem Wagen oder einem Luftballon! Wir haben genug Hinkebeine und Nachzügler!«
    Als Jean Maurice half, sich in den Wagen hinaufzuziehen, wandte er sich, um ihm zu danken, und die beiden Männer fielen sich in die Arme, als ob sie sich nie wiedersehen sollten. Wußte man das denn auch inmitten des Aufbruchs zum Rückzug, nun die Preußen da waren? Maurice fühlte sich ganz überrascht über die starke Zuneigung, die ihn bereits zu dem großen Kerl da erfüllte. Zweimal wandte er sich noch zurück, um ihm mit der Hand Lebewohl zuzuwinken; und so ließ er das Lager hinter sich, in dem die Leute sich anschickten, großes Feuer anzuzünden, um den Feind zu täuschen, wenn man im tiefsten Stillschweigen vor Tagesanbruch abmarschierte.
    Der kleine Pächter hörte unterwegs nicht auf, über die Schlechtigkeit der Zeit zu klagen. Er hatte nicht den Mut, gehabt, in Falaise zu bleiben; jetzt bedauerte er schon, nicht dageblieben zu sein, und wiederholte, er wäre zugrunde gerichtet, wenn

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