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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Geräusch empor, dasselbe Herdengetrappel, die gleiche Flucht, das erste Korps, das gerade Carignan und Douzy verlassen hatte, das zwölfte, das mit den Resten des fünften aus Mouzon kam, alle erschüttert und von derselben zwingenden, unüberwindlichen Gewalt mitgerissen, die seit dem 28. die Armee nach Norden trieb, sie in die Klemme hineinzwang, in der sie umkommen sollte.
    Der Tag graute indessen, als die Kompanie Beaudouin durch Pont-Maugis kam; und nun fand sich Maurice wieder zurecht, nun die Höhen des Liry sich links und die Maas sich rechts an der Straße entlangzogen.
    Aber mit unendlicher Traurigkeit erhellte diese graue Dämmerung Bazeilles und Balan, die am Rande der Wiesen auftauchten, während Sedan am Horizont blaß wie ein trauervollerAlp auf dem riesigen Hintergrunde der Wälder erschien. Und als sie hinter Wadelincourt endlich das Tor von Torcy erreichten, mußten sie alle erdenklichen Künste der Überredung anwenden, sie mußten flehen und wütend werden, ja den Platz fast belagern, um den Gouverneur dazu zu bringen, daß er ihnen die Brücke herunterließ. Es war fünf Uhr. Das siebente Korps zog trunken vor Ermattung, Hunger und Kälte in Sedan ein.
     

8.
    Am Ende der Landstraße von Wadelincourt wurde Jean in dem Gedränge auf dem Platz de Torcy von Maurice getrennt; und so lief er weiter und verirrte sich in dem da hintrabenden Knäuel, ohne ihn wiederfinden zu können. Das war wirklich ein unglücklicher Zufall, denn er war auf das Angebot des jungen Mannes, ihn mit zu seiner Schwester zu nehmen, eingegangen: da wollten sie sich ausruhen, sie würden sogar in einem guten Bett schlafen. Die Unordnung war so groß, alle Regimenter so miteinander verschmolzen und dabei weder Marschbefehle noch Führung vorhanden, daß die Mannschaften fast tun konnten, was sie wollten. Wenn sie nur erst mal ein paar Stunden geschlafen hätten, würden sie immer noch Zeit genug haben, um sich zurechtzufinden und die Kameraden wieder zu treffen.
    Ganz bestürzt fand Jean sich auf der Hochbrücke von Torcy wieder, hoch über den weiten Wiesen, die der Gouverneur durch das Wasser des Flusses hatte überstauen lassen. Nachdem er dann noch ein anderes Tor durchschritten hatte, kam er über die Maasbrücke, und da war ihm, als fange trotz der zunehmenden Helligkeit die Nacht wieder an in dieser engen,in ihren Wällen zusammengepferchten Stadt mit ihren feuchten, von hohen Häusern eingefaßten Straßen. Er erinnerte sich nicht einmal des Namens von Maurices Schwager; er wußte nur, daß seine Schwester Henriette hieß. Wo sollte er hin? Wen konnte er fragen? Seine Füße trugen ihn nur noch mit der rein triebhaften Bewegung des Gehens weiter; er fühlte, daß er fallen würde, sobald er anhielte. Wie ein Ertrinkender hörte er nur noch ein dumpfes Brausen; er empfand nur noch das unaufhörliche Brausen dieser Flut von Menschen und Tieren, in der er mitgeführt wurde. Nachdem er in Remilly gegessen hatte, fühlte er jetzt vor allem ein Bedürfnis nach Schlaf; rund um ihn herum überwog gleichfalls die Müdigkeit über den Hunger; die Menge der Schatten stolperte nur noch durch die unbekannten Straßen. Bei jedem Schritt stürzte ein Mann auf dem Fußsteig zusammen oder fiel gegen eine Tür, wo er wie ein Toter festschlafend liegenblieb.
    Jean sah in die Höhe und las auf einem Schilde: Avenue de la Souspréfecture. An ihrem Ende stand ein Denkmal in einer Gartenanlage. Und an der Ecke der Avenue sah er einen Reiter, einen Chasseur d'Afrique, der ihm bekannt vorkam. War das nicht Prosper, der Bursche aus Remilly, den er in Vouziers mit Maurice gesehen hatte? Er war von seinem Pferde abgesessen, und das magere Pferd, das zitternd auf den Beinen stand, hatte solchen Hunger, daß es mit vorgestrecktem Hals die Bretter eines der Gepäckwagen benagte, der neben dem Fußsteige stand. Seit zwei Tagen hatten die Pferde kein Futter mehr bekommen; sie starben vor Erschöpfung. Ihre starken Zähne brachten auf dem Holz ein raspelndes Geräusch hervor, und der Jäger weinte.
    Als Jean, der weitergegangen war, dann zurückkam in demGedanken, der Bursche werde die Wohnung von Maurices Verwandten noch wissen, fand er ihn nicht mehr. Nun war er verzweifelt und irrte von Straße zu Straße umher; er fand sich auf dem Platz vor der Unterpräfektur wieder und ging bis zum Turenneplatz weiter. Dort hielt er sich einen Augenblick für gerettet, als er vor dem Stadthause unmittelbar am Fuße des Denkmals den Leutnant Rochas mit ein paar

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