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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Ludwigs XV., wie der Louvre so groß, mit Außenseiten von königlicher Pracht. Die in der Rue Maqua hatte drei Stockwerke mit hohen Fenstern, die von ernsten Bildhauerarbeiten eingerahmt waren; ein Palasthof im Innernwar noch mit gewaltigen alten Ulmenbäumen aus der Zeit der Gründung bepflanzt. Drei Geschlechter von Delaherches hatten hier beträchtliche Vermögen erworben. Da Julius, der Vater des jetzigen Inhabers, die Fabrik von einem kinderlos verstorbenen Vetter geerbt hatte, herrschte jetzt ein jüngerer Zweig. Dieser Vater hatte viel für das Gedeihen des Hauses getan, aber er war von lockeren Sitten und hatte seine Frau sehr unglücklich gemacht. Als diese daher Witwe geworden war, bestrebte sie sich, in dem Gedanken, ihr Sohn könne dieselben Dummheiten beginnen, ihn bis über sein fünfzigstes Jahr hinaus wie einen großen, vernünftigen Jungen in Abhängigkeit zu halten, nachdem sie ihn mit einer sehr einfachen und frommen Frau verheiratet hatte. Nun ist es aber schlimm, daß das Leben sich schrecklich zu rächen pflegt. Als seine Frau kaum gestorben war, verliebte sich Delaherche, der ja nun seine Jugend hinter sich hatte, rasend in eine junge Witwe aus Charleville, die hübsche Frau Maginot, über die man sich allerlei Geschichten zutuschelte, und heiratete sie schließlich im letzten Herbst trotz der Einwendungen seiner Mutter. Das äußerst puritanische Sedan hat Charleville, die Stadt des Lachens und der Feste, immer mit großer Strenge beurteilt. Die Heirat wäre übrigens auch nie zustande gekommen, wenn Frau Maginot nicht den Oberst von Vineuil zum Onkel geholt hätte, der vor seiner Beförderung zum General stand. Diese Verwandtschaft, vor allem der Gedanke, in eine Soldatenfamilie hineinzukommen, waren dem Tuchfabrikanten höchst schmeichelhaft.
    Als Delaherche am Morgen hörte, daß das Heer durch Mouzon kommen werde, harte er mit seinem Buchhalter Weiß in seinem Wagen die Spazierfahrt dorthin gemacht, von der Vater Fouchard Maurice erzählt hatte. Dick und groß, mitkräftigen Farben, starker Nase und dicken Lippen, war er sehr mitteilsam veranlagt und besaß die vergnügte Neugierde des bürgerlichen Franzosen, der eine schöne Truppenschau so sehr liebt. Nachdem er von dem Apotheker von Mouzon erfahren hatte, daß der Kaiser sich auf dem Hofe Baybel befinde, war er dort hinaufgestiegen und hatte ihn gesehen, hatte beinahe sogar mit ihm gesprochen, eine ganz riesige Geschichte, und er wurde seit seiner Rückkehr nicht müde, sie zu erzählen. Wie schrecklich aber war diese Rückkehr inmitten der Panik von Beaumont auf den von Flüchtlingen vollgestopften Wegen! Wieder und wieder war sein leichter Wagen fast in den Graben gestoßen worden. Infolge immer neu auftretender Schwierigkeiten kamen die beiden Männer erst nachts wieder nach Hause. Und diese Vergnügungsfahrt, dieser zwei Meilen lange Vorbeimarsch der Truppen, den Delaherche sich ansehen wollte und der ihn dann in die rasende Hetzjagd ihres Rückzuges hineinzog, dies ganze unvorgesehene, tieftraurige Abenteuer ließ ihn zehnmal nacheinander auf dem Wege wiederholen:
    »Und dabei glaubte ich, sie waren auf dem Marsch nach Verdun und wollte nur die Gelegenheit nicht verpassen, sie vorbeimarschieren zu sehen! ... Na ja, gesehen hab' ich sie, und ich glaube, wir werden in Sedan noch mehr von ihnen sehen als uns lieb ist!«
    Als er um fünf Uhr morgens durch das laute Brausen wie von einer geöffneten Schleuse, das das siebente Korps beim Durchzug durch die Stadt verursachte, aufgeweckt war, hatte er sich schleunigst angezogen; und in dem ersten Menschen, den er auf dem Turenneplatz traf, hatte er Hauptmann Beaudouin erkannt. Das Jahr vorher in Charleville war der Hauptmann einer der Vertrauten der hübschen Frau Maginot gewesen;so vertraut, daß Gilberte ihn ihm vor der Hochzeit vorgestellt hatte. Die Geschichte, die man sich damals zuraunte, besagte, daß dem Hauptmann nichts mehr zu wünschen übriggeblieben sei, und daß er sich jetzt vor dem Tuchfabrikanten aus Zartgefühl zurückgezogen habe, da er seine Freundin nicht des sehr beträchtlichen Vermögens habe berauben wollen. »Was? Sie sind's?« schrie Delaherche, »und in was für einem Zustande, lieber Gott!«
    Beaudouin, der für gewöhnlich so ordentlich und hübsch aussah, machte in der Tat einen bejammernswerten Eindruck in seiner schmutzigen Uniform und mit schwarzem Gesicht und Händen. Voller Verzweiflung hatte er den Weg mit Turkos zurücklegen müssen, ohne sich

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