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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Verheimlichung des wirklichen Planes, wurde er ärgerlich und rief schließlich:
    »Lassen Sie uns doch in Ruh'! ... Wir werden Ihre Bayern schon in die Maas schmeißen, und Sie werden ja sehen, wie wir mit uns spaßen lassen!«
    Seit einiger Zeit schienen die feindlichen Schützen näher heranzuschwärmen; mit mattem Geräusch trafen einzelne Kugeln auf das Ziegelmauerwerk der Färberei; und durch die kleine Hofmauer geschützt, begannen die Soldaten nun zu antworten. Jede Sekunde ertönte der Knall eines Chassepots trocken und scharf.
    »Sie in die Maas schmeißen, ja, natürlich!« murmelteWeiß, »und ihnen über ihre Leichen weg den Weg nach Carignan wiedernehmen, das wäre sehr fein!«
    Dann wendete er sich zu Delaherche, der sich hinter der Pumpe versteckt hatte, um die Kugeln zu vermeiden:
    »Einerlei, der richtige Plan wäre gewesen, gestern abend nach Mezieres durchzubrennen; ich stände in ihrer Stelle lieber da hinten ... Aber schließlich müssen sie jetzt fechten, da nun der Rückzug ja doch unmöglich geworden ist.«
    »Kommen Sie mit?« fragte Delaherche, der trotz seiner brennenden Neugierde allmählich blaß wurde. »Wenn wir noch länger warten, kommen wir nicht mehr nach Sedan hinein.«
    »Ja, eine Minute noch, und ich gehe mit Ihnen.«
    Trotz der Gefahr reckte er sich in die Höhe, denn er wollte sich unbedingt Klarheit verschaffen. Zur Rechten schützten die auf Befehl des Gouverneurs überschwemmten Wiesen die Stadt, ein weiter See, der sich von Torcy bis Balan ausdehnte: eine unbewegliche, in der Morgensonne zart blau erscheinende Wasserfläche. Aber am Eingange von Bazeilles hörte das Wasser auf, und die Bayern rückten tatsächlich durch die Büsche vor, indem sie sich jeden kleinsten Graben und den dünnsten Baum zunutze machten. Sie mochten fünfhundert Meter entfernt sein; was ihn am meisten in Erstaunen versetzte, war die Langsamkeit ihrer Bewegungen, die Geduld, mit der sie Boden gewannen, indem sie sich so wenig Blößen wie möglich gaben. Eine mächtige Artillerie unterstützte sie übrigens, und die frische, reine Luft war vom Sausen der Granaten erfüllt. Er sah wieder auf und bemerkte, daß nicht nur die Batterie von Pont-Maugis auf Bazeilles feuerte: zwei andere auf der halben Höhe des Liry aufgestellte hatten ihr Feuer eröffnet und bestrichen den Ort, ja, sie fegten sogarnoch über ihn hinweg auf die nackten Acker von la Moncelle, wo die Reserven des zwölften Korps lagen, und bis an die bewaldeten Abhänge von Daigny heran, das eine Division des ersten Korps besetzt hielt. Schließlich waren alle Gipfel auf dem linken Ufer in Flammen gehüllt. Die Geschütze schienen aus dem Boden hervorzuwachsen, es war wie ein sich immer mehr erweiternder Gürtel: eine Batterie bei Noyers feuerte auf Balan, eine bei Wadelincourt auf Sedan, eine ganz furchtbare Batterie bei Frénois unterhalb der Marfée, deren Granaten über die Stadt weggingen und unter den Truppen des siebenten Korps barsten, auf die Hochebene von Floing. Diese Hügel, die er so liebte, diese Reihe von Gipfeln, die er immer nur als zum Vergnügen geschaffen angesehen hatte, wie sie das Tal in der Ferne so mit ihrem fröhlichen Grün abschlossen, die sah Weiß jetzt nur noch mit Schrecken und Angst an, denn sie waren mit einem Schlage zu einer schrecklichen, riesenhaften Festung geworden, die sich anschickte, die nutzlosen Befestigungen von Sedan zu vernichten.
    Ein leichtes Herabrieseln von Putz ließ ihn den Kopf heben. Eine Kugel hatte eine Ecke seines Hauses mitgenommen, dessen Schauseite er jenseits der gemeinschaftlichen Brandmauer sehen konnte. Das brachte ihn sehr auf, und er brummte:
    »Wollen die Räuber mir das zerstören!«
    Aber noch ein mattes Geräusch hinter ihm setzte ihn in Erstaunen. Und als er sich umdrehte, sah er einen Soldaten mitten ins Herz getroffen auf den Rücken fallen. Die Beine zuckten noch einmal leicht zusammen; das Gesicht aber behielt, wie bei einem vom Blitze Erschlagenen, seine jugendliche Ruhe. Das war der erste Tote, und er fühlte sich besondersdurch das Geräusch des auf das Pflaster des Hofes aufschlagenden Chassepots erschüttert.
    »Ach nein, ich gehe!« stotterte Delaherche. »Wenn Sie nicht kommen, gehe ich allein.«
    Der Leutnant, den sie nervös machten, fuhr dazwischen.
    »Sie täten sicher am besten, wenn Sie gingen, meine Herren ... Wir können jeden Augenblick angegriffen werden.«
    Weiß entschloß sich nun, nachdem er noch einen Mick auf die Wiesen geworfen hatte, wo

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