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Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Titel: Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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kann nicht erklären, wieso mich dieser Wunsch überkam. Ich trug diese ganze Wut mit mir herum und fand keinerlei Weg, sie abzulassen.«
    Nachdem Tschikatilo dem Psychiater die einzelnen Morde gestanden hatte, suchen Kostojew und seine Mitarbeiter zusammen mit dem Häftling die Tatorte auf. Wie bei der Schilderung seiner Untaten beweist Tschikatilo auch hier sein fabelhaftes Gedächtnis. An jedem Tatort demonstriert er, wie er jeweils den Mord ausgeführt hat. Manchmal überwindet er sich auch, Details zu berichten: »Lippen verbinde ich mit Geschlechtsorganen. Und ich habe dabei sexuellen Genuß, wenn ich Lippen und Zunge verstümmele.« Zurückhaltender zeigt er sich, als ihm vorgehalten wird, Menschenfleisch gegessen zu haben: »Ihre Frau hat ausgesagt, daß Sie häufig einen Topf oder ein e Pfanne mitgenommen haben, obwohl Sie nicht kochen können. In der Nähe mancher Ihrer Opfer fand man Spuren eines Lagerfeuers.«
    »Ich mochte die Brustorgane oder den Uterus. Sie sind so rosig und elastisch. Aber nachdem ich daran geknabbert hatte, warf ich sie weg.«
    »Man hat nie etwas davon gefunden.«
    Tschikatilo erklärt auch, warum er seine Opfer auf so grausame Weise getötet und ihnen noch bei lebendigem Leibe furchtbare Verletzungen zugefügt hat: »Es war eine Imitation des Geschlechtsaktes. Allerdings eine erbärmliche.«
    Hier spielte Tschikatilo sicher seine Empfindungen herunter. Eine erbärmliche Imitation gewiß, im Verhältnis zur Normalität. Alles andere als erbärmlich aber, viel eher überwältigend genußvoll im subjektiven Erleben des Täters. Nach Ansicht der Psychologen führten die beim Lustmord ausgelösten Orgasmen nicht nur zu einer rein sexuellen, sondern auch zu einer psychischen Entspannung seiner ihn bedrängenden Minderwertigkeitsgefühle, zum – wie er selbst sagte – »Seelenfrieden über einen längeren Zeitraum«. Und er gestand ja auch, daß er sich beim Morden »schrankenlos« fühlte, im Genuß unbegrenzter Freiheit und Macht.
    Nach Abschluß der kriminalistischen Ermittlung wird Tschikatilo nach Moskau überführt und dort nochmals eingehend psychiatrisch untersucht.
    Die Psychiater stellen fest, daß Tschikatilo an organisch bedingter Impotenz leidet. Hirnschäden seien nachweisbar, hätten jedoch Tschikatilo nicht schicksalhaft zum Mörder werden lassen. Es heißt im Gutachten: »Kategorisch zu behaupten, daß der eine oder andere Vorfall in seiner frühen Kindheit die entscheidende Rolle bei der Entwicklung seines pathologischen Zustands gespielt habe, wäre zu weitgehend. Tatsache ist, daß dieser sich aus einer komplexen Verflechtung von Faktoren entwickelte, die hauptsächlich im Bereich der biologischen Funktionen des Patienten liegen ... Viele Dinge, die passiert sind, waren traumatischer Natur, besonders bei einem Jungen, der bereits diese organischen Schäden aufwies. Unbedeutende Dinge kombinieren sich in stark variierenden Gewichtungen. Betrachtet man jeden dieser Faktoren isoliert für sich, ist keiner davon einzigartig, aber in ihrer Kombination erzeugen sie ein einmaliges Profil.«
    Die »komplexe Verflechtung von Faktoren« zeigte sich bei Tschikatilo frühzeitig in der Eskalation seiner sadistischen Phantasien. »Ich phantasierte mein Leben lang«, sagte er, »und manchmal konnte ich Wahrheit und Phantasie nicht auseinanderhalten.«
    Die Gutachter verweisen darauf, daß Triebtäter sadistische Phantasien schon in der Kindheit entwickeln. Tschikatilo stellte sich vor, er sei ein starker Mann, der gegen das Böse kämpfe und dabei sehr gewalttätig vorgehe. Solche Phantasien, so heißt es weiter im Gutachten, bilden sich Schritt für Schritt aus. Da sie zumeist im Unterbewußtsein verankert sind, werden sie von der Umwelt nicht bemerkt. Doch die Phantasien würden allmählich, aber in zunehmendem Maße in Taten umgesetzt. Stufenweise werde dabei eine Hemmschwelle nach der anderen überwunden, die Phantasien pervertieren ins Monströse: »Seine Verhaltensmuster verfestigten sich. Bereitete ihm eine Tat Lust, dann versuchte er sie zu wiederholen.« So verbindet sich der sadistische Lernprozeß stets mit einer Steigerung der Gewalt und der Grausamkeit. Alles Menschliche scheint der Täter verloren zu haben, das »Monster« ist geboren.
    Fünf Jahrzehnte liegen zwischen dem kurzsichtigen, von Bettnässerei geplagten kleinen Jungen und dem dreiundfünfzigfachen sadistischen Mörder. War diese Entwicklung unentrinnbar? War er willenloses Opfer seiner Hirnschäden und

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