Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
bin das Phantom der Nacht. Mich wird man nie greifen.
Als er aus dem Kino zurückkehrt, ist seine Frau noch nicht da. Er füllt eine leere Bierflasche mit Petroleum, steckt sich Zündhölzer ein und schlägt den Weg zur Vincenzkirche ein.
Rosas Leiche liegt noch hinter dem Bretterzaun. Doch immer wieder hört Kürten Schritte und Stimmen von späten Passanten. Es erscheint ihm zu riskant, die Leiche jetzt in Brand zu setzen. Er könnte sich nicht ungestört des Feuerspiels erfreuen. Er stellt die Petroleumflasche neben die Leiche, kehrt heim und legt sich, noch bevor seine Frau eintrifft, schlafen.
Am nächsten Morgen wacht er gegen sechs Uhr auf. Es ist noch finster. Leise erhebt er sich. Seine Frau erwacht.
»Ich geh' mal zur Toilette, schlaf ruhig weiter.« Da die Toilette eine Treppe tiefer liegt, muß er die Wohnung verlassen. Um seine Frau nicht mißtrauisch werden zu lassen, verzichtet er darauf, sich anzuziehen. Nur mit Hose, Unterhemd und Pantoffeln bekleidet, tritt er in die Dunkelheit hinaus. Die wenigen Leute, denen er unterwegs begegnet, beachten ihn nicht. Er gelangt hinter den Bretterzaun, übergießt die Leiche mit Petroleum und entzündet es.
Die Flammen fressen sich langsam über die Kleidung bis zum Kopf des toten Kindes weiter. Kürten spürt die Kälte des Wintermorgens nicht. Der Anblick des Feuers erhitzt ihn. Er starrt auf die züngelnden Flammen. Wie Zungen, die sein Glied umspielen. Diese Vorstellung wird übermächtig. Feuerzungen! Und endlich, oder schon: der Orgasmus. Er hat ihn erwartet. Deshalb hat er das Wagnis unternommen, halbnackt hierher zu kommen und die Leiche anzuzünden.
Heiter und gelöst kehrt er heim und legt sich ins Bett. Seine Frau ist wieder eingeschlafen. Seit seinem Weggang ist nicht mehr als eine Viertelstunde vergangen.
Gegen sieben Uhr kleidet sich Kürten an. Es zieht ihn erneut zum Bretterzaun. Die Leiche liegt noch immer da. Das Feuer ist erloschen, es hat die Kleidung verbrannt und das Gesicht der Toten verkohlt. Der Mund klafft wie eine schwarze Höhle.
Kürten begibt sich in die Stadt, schlendert durch die Straßen, kehrt zwei Stunden später zum Tatort zurück. Und erblickt erfreut eine Menschenmenge am Bretterzaun. Polizisten haben ihn ringsum abgesperrt. Aber keine Leiche mehr, man hat sie schon weggebracht. Kürten ist ein wenig enttäuscht. Er mischt sich unter die Leute, die aufgeregt das Geschehen kommentieren. Kürten erfährt, ein Bauarbeiter habe die Leiche entdeckt. Und daß ein Verbrechen vermutet werde. Und daß man rätselt, wer eine solche schreckliche Tat begehen konnte.
Kürten lauscht, wendet sich hierhin, dorthin, nimmt mit Wohlgefühl die Äußerungen des Entsetzens auf, die Vermutungen über den Täter, die Forderung nach härtester Bestrafung. Ich bin es, sagt er sich, ich bin der Hauptdarsteller dieses Schaustücks, ich, Peter Kürten! Seine bedeutsame Rolle bringt ihm erneut eine Ejakulation.
Drei Tage später, bei einem abendlichen Spaziergang, schleicht sich Kürten von hinten an einen Mann heran und versetzt ihm mit der Kaiserschere Stiche in die Schläfe, in Nacken und Rücken. Es sind tödliche Stiche, mehr als zwanzig. Im Juli tötet er eine Prostituierte. Zeugen, die ihn zuvor mit dem Opfer gesehen haben, beschreiben ihn als einen fünfundzwanzigjährigen jungen Mann.
An einem Sonntagabend im August bummelt Kürten über den Hansaplatz. Der gehört zu seinem Jagdrevier, hier hat er schon mehrere Frauen angefallen und gewürgt. Spaziergänger genießen den warmen Abend. Kürten, in tadellos gebügeltem braunem Sommeranzug, trägt auch heute die Schere bei sich. Er hat kein bestimmtes Ziel. Nur die Pirsch ist geplant, nur die gewaltsame Lösung seiner Spannung. Alles andere, was geschieht und wie es geschieht, überläßt er dem Zufall. Und geschieht es heute nicht, dann morgen, er kann warten. Für einen Überfall ist es sowieso noch zu hell.
Auf einer Bank sitzt eine junge Frau. Interesselos geht Kürten vorüber. Da ruft sie ihm zu: »Auch auf Spaziergang?«
Dumme Frage, denkt Kürten, und bleibt stehen. Ein etwas fülliges Mädchen in geblümtem kurzärmeligem Kleid lächelt ihn an. Der Ausschnitt des Kleides zeigt einen kräftigen Hals. Kürten sieht, wie sich die Kaiserschere tief ins weiße Fleisch bohrt. Er spürt eine Erektion. Ein gutes Zeichen! Er setzt sich neben die junge Frau, lüftet den Hut und erwidert: »Auch auf dem Spaziergang. Leider solo.«
Das müsse ja nicht so bleiben, tröstet sie ihn und
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