Der zweite Buddha
ich ihr: »Nimm doch mal an, es ist eine Frau, die den Buddha haben wollte. Sie weiß Bescheid über die Röntgenanlage, und sie weiß, daß eine von Palmers Kameras das einzig sichere Versteck ist. Der Apparat nun, in dem die Figur steckte, hat ein Weitwinkelobjektiv; mit anderen Worten, Palmer brauchte ihn nur, um die Gesellschaft bei Tisch zu fotografieren; später benutzte er eine andere Kamera. Also war die mit dem Weitwinkel die richtige für den Zweck. Unsere Freundin brauchte also nur den Buddha darin zu verstauen und später gelegentlich unter irgendeinem Vorwand bei Palmer aufzukreuzen und das Ding in einem unbewachten Augenblick an sich zu nehmen.«
»Ja, aber die Watte?« erinnerte Bertha. »Was hat die Watte damit zu tun?«
»Darauf komme ich jetzt«, fuhr ich fort. »Die Watte ist nur ganz lose hineingestopft worden. Das hätte ein Fotograf nie getan; man bekommt das Zeug nämlich sehr schlecht wieder ‘raus, und die Fädchen, die hängenbleiben, verderben jedes Bild... Ein Fotograf hätte die Figur vielleicht in ein weiches Tuch gewickelt, aber niemals in Watte.«
»Ach so«, meinte Bertha. Plötzlich leuchteten ihre kleinen, gierigen Augen auf: »Wart mal... ich hab’ eine Idee. Du erzählst Crockett, du kannst ihm noch nicht sagen, wo du den Buddha gefunden hast — du bist noch hinter dem Täter her, das heißt, du willst ihn erst überführen... Dann können wir den Fall vier oder fünf Tage länger bearbeiten. Inzwischen brauchst du dich bloß bei dem Fotografen rumzudrücken und aufzupassen, wer ‘reinkommt.«
»Nein«, erklärte ich voller Entsetzen, »das schaff’ ich nicht. Ich kann nicht tagelang diesen Kerl ertragen, ohne ihn umzubringen.«
»Dann werde ich das eben besorgen«, kündigte Bertha an. »Aber aus der Sache kann man was machen... Crockett bekommt von uns einen vollständigen Bericht, und wir können ihm dabei gegebenenfalls vorschlagen, seinen Hoffotografen lieber ‘rauszuschmeißen.«
»Von mir aus.« Ich grinste: »Geh du ruhig mal zu diesem Palmer — von dem kannst du noch was lernen!«
»Das möchte ich bezweifeln«, knurrte Bertha.
»Ach, weißt du, der kennt da so ein paar Varianten ... «
»Quatsch«, bellte sie, »ich bin im Bedarfsfall variabel genug! Und jetzt scher dich ‘raus und mach, daß du zu Crockett kommst; du weißt, w as du ihm zu sagen hast. Ich kümmere mich inzwischen um den Knaben Lionel... oder halt mal — meinst du, ich kann die Ennis schicken? In die ist er doch verknallt.«
Ich schüttelte den Kopf: »Schon wieder falsch, Bertha. Das einzig Richtige ist, die Karten bei Crockett offen auf den Tisch zu legen. Wenn er dann mehr über Palmer wissen will, bekommen wir den Job automatisch.«
Bertha seufzte müde. »Du bist so ungefähr das Sturste, was mir je begegnet ist«, stellte sie resigniert fest. »Von mir aus mach doch, was du willst — das tust du ja ohnehin!«
9
Ich hatte Pech. Mit dem verdammten Blasrohr kam ich nicht an dem Portier vorbei. Eigentlich hatte ich einfach an ihm vorbeimarschieren wollen, so, als ob das ganze Haus mir gehöre. Aber das Blasrohr...
»He, Sie«, rief er hinter mir her, »wo wollen Sie denn hin?«
Ich seufzte und machte wieder kehrt. »Ich will zu Mr. Crockett«, teilte ich ihm durch die Sprechöffnung in der Glasscheibe mit, hinter der er saß.
»Da muß ich Sie anmelden«, meinte er.
»Tun Sie das. Ich heiße Donald Lam.«
Er nahm den Hörer vom Telefon und wählte eine Nummer. »Mr. Crockett ist nicht zu sprechen, Mr. Lam«, berichtete er dann. »Aber Mrs. Crockett wird Sie empfangen. Sie erwartet Sie in ihrem Atelier — das ist auf der 20. Etage, nach hinten ‘raus... Ach, Moment mal, ich schicke einen Boy mit, der zeigt Ihnen den Weg.«
»Danke schön«, sagte ich und trottete ergeben hinter einem Boy her, der mich zum Fahrstuhl brachte. Es würde wahrscheinlich keinem Sterblichen je gelingen, Dean Crockett den Zweiten zu überraschen, dachte ich. Nicht mit all den Zäunen, die er um sich herum errichtet hatte. Und wenn es der Weltmeister im Hürdenlauf versuchte — einen Crockett überrascht man nicht, Ausrufezeichen.
Wir fuhren also zum zwanzigsten Stockwerk hinauf. Dort führte mich der Boy an dem heute geschlossenen Vestibül vorbei, von dem aus man bekanntlich mit dem zweiten Fahrstuhl zur Atelierwohnung hinauf gelangte, und einen endlosen Korridor entlang. Vor dem Apartment 20 a blieb er stehen und drückte auf den Klingelknopf.
Mrs. Crockett öffnete selbst. Sie trug
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