Der zweite Buddha
»Diese Taschenlampe —haben Sie die eigentlich häufig benutzt?«
»Nein. Wenn Dean in seinen Arbeitsräumen war, wollte er nicht gestört Werden — nicht wegen irgendwelcher Nebensächlichkeiten.
Das Lichtsignal habe ich immer nur dann benutzt, wenn es etwas Wichtiges gab.«
Ich wechselte das Thema. »Was ist eigentlich mit dieser Sylvia Hadley?« erkundigte ich mich.
»Mit Sylvia? Wie meinen Sie das?«
»Ganz allgemein. Ich möchte mehr über sie erfahren.«
Sie lachte. »Na, ich denke, die haben Sie genau kennengelernt!«
»Ja, ich erinnere mich dunkel«, lächelte ich. »Ich spreche jetzt aber nicht von der zweifellos reizvollen Oberfläche der Dame. Ich will wissen, was darunter liegt.«
»Darunter?« sagte sie langsam. »Ich weiß nicht, ob da viel ist... Sie ist ohne die geringsten Hemmungen, verstehen Sie, und wie viele Frauen mit einem besonders schönen Körper neigt auch sie zum Exhibitionismus. Sie ist schön, und sie weiß es; und die anderen Leute sollen es auch merken.«
»Welche anderen Leute?«
»Na, alle. Hier stehe ich, Sylvia Hadley, und ich bin schön — jetzt seid gefälligst so gut und nehmt Kenntnis davon.«
»Betraf das auch ...« Ich zögerte.
»Dean Crockett, meinen Sie?« Ein müder Zug trat in ihr Gesicht. »Was weiß denn ich... Ja, wahrscheinlich betraf es ihn auch, obwohl... Wissen Sie, wenn Dean mit irgend etwas beschäftigt war, dann kannte er nur seine Arbeit. Dann existierte einfach keine Frau für ihn. Frauen waren in solchen Augenblicken störende Ablenkungen... das heißt, das waren sie wohl im Grunde immer für ihn.«
»Aber von dieser Sylvia ließ er sich gelegentlich ablenken, ja?«
»Ich vermute das nur. Immerhin, wenn Sylvia sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist sie nicht so leicht davon abzubringen.«
»Und Sie?« forschte ich. »War Ihnen das so völlig gleichgültig?«
Sie zuckte die Schultern. »Wenn ich ein großes Theater gemacht hätte — wäre es davon anders geworden?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber ich will auf etwas anderes hinaus: Hatten Sie die Hadley im Verdacht? Und wenn ja, warum behandelten Sie sie so freundschaftlich?«
»Wie hätte ich sie denn behandeln sollen?«
»Na, ich kenne Frauen, die hätten ihr die Augen ausgekratzt.«
Wieder lachte sie. Es War ein fast lautloses Lachen, und ihre Augen blieben ernst. »Wenn ich jeder Frau die Augen ausgekratzt hätte, mit der Dean mal was gehabt hat, ergäbe das die Belegschaft eines mittleren Blindenheims!«
»Ich dachte, er hätte nur seine Arbeit im Kopf gehabt?«
»Na, so ja nun auch wieder nicht! Er konnte zeitweise auch anders sein —und in solchen Augenblicken war er ziemlich fix.«
»Ich verstehe ...« Ich dachte nach. »Sagen Sie, da waren doch diese beiden Buddha-Figuren — es waren doch zwei, nicht wahr?«
»Ja, ganz recht.«
»Hm... Wie ist Ihre Freundin Sylvia finanziell gestellt?«
»Keine Ahnung. Also wirklich, darüber weiß ich gar nicht Bescheid. Das heißt, irgendwelche Quellen muß sie haben. Kürzlich hat sie mich einmal gebeten, die Bürgschaft für einen Scheck zu übernehmen, den sie kassieren wollte. Es war ein Scheck über tausend Dollar.«
»Zahlbar an sie?«
»Ja.«
»Sieh mal an... Und von wem war der Scheck ausgestellt — konnten Sie das sehen?«
»Ja; ich habe einfach die Unterschrift gelesen. Das mußte ich schließlich, weil ich doch praktisch für die Summe geradestehen sollte, aber es war Sylvia gar nicht recht... Der Scheck war von einem gewissen Mortimer Jasper.«
»Kennen Sie ihn?«
»Flüchtig. Ich habe ihn gelegentlich auf Kunstauktionen getroffen.«
Ich beschloß, diesen neuen Faden einstweilen liegen zu lassen, um später wieder aufzunehmen. Vorher wollte ich etwas anderes wissen: »Wie stand eigentlich Sylvia Hadley zu Kunstwerken? — Ich meine, imponierte ihr der Marktwert eines Bildes, oder hatte sie Zugang vom Ästhetischen her —hatte sie Freude am Schönen schlechthin?«
»Sie hat Freude an ihrer eigenen Schönheit, an ihrem Spiegelbild. Ich glaube, darüber hinaus geht ihr ästhetisches Empfinden nicht. Aber ich mag sie trotzdem gut leiden, Donald. Trotzdem sie so ist, meine ich.«
»Ja? Und warum?«
»Das ist schwer zu sagen... Gerade weil sie so... na, so hemmungslos ist. So ungehemmt, sollte ich besser sagen.«
Ich glaubte, eine mögliche Verbindung zwischen dieser Charaktereigenschaft und dem Tausend-Dollar-Scheck zu sehen: »Nehmen wir einmal an, die gute Sylvia war aus irgendeinem Grund in
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