Der zweite Buddha
Glockenschläge hallten unangenehm in meinem Schädel nach. Ein Blick auf meine Armbanduhr — was war nur mit meinem linken Arm los? — belehrte mich, daß es halb zehn war.
Ich sah mich um. Einsam und verlassen lag ich auf dem Baugrundstück. Trotz der Dunkelheit konnte ich erkennen, daß mein Wagen weg war.
Ich versuchte aufzustehen. Zuerst dachte ich, die Kleiderschränke hätten versehentlich ein paar Messer in mir steckenlassen. Schließlich aber hatte ich mich hochgekrabbelt und stellte fest, daß ich noch einigermaßen intakt war.
Zuerst untersuchte ich meine Taschen. Die tausend Dollar waren nicht mehr da, mein eigenes Geld war auch weg und der Buddha ebenfalls. Brieftasche, Ausweis, Schlüssel und Füllfederhalter hatten sie mir gelassen.
Das Gehen erwies sich als eine mühsame und schmerzhafte Tätigkeit. Vor allem konnte ich mich nicht gerade aufrichten. Nach hundert Metern wird es besser, redete ich mir zu; bis zur Laterne vorn an der Ecke mußt du es schaffen... Es wurde aber nicht besser, und ich hatte noch nicht die Hälfte des Weges bis zur Ecke zurückgelegt, als mir schwindlig wurde. Der Bürgersteig fing auf einmal an, Wellen zu schlagen, und ich wäre umgefallen, wenn nicht gerade ein Briefkasten vorbeigesegelt wäre. An ihm hielt ich mich fest, und kurz darauf lagen die Überreste meines Mittagessens auf der Straße. Aber ich fühlte mich ein wenig besser. Ich schloß die Augen und atmete tief.
Als ich meine Augen wieder öffnete, blendeten mich Scheinwerfer eines Autos. Es hielt neben mir, und jemand sagte: »Na, Schnapsleiche - geht’s wieder?«
Ich versuchte zu grinsen, aber es war ein kläglicher Versuch. Ich brachte kein Wort heraus.
»Na, komm mal rüber, mein Freund, wir wollen uns mal ‘n bißchen unterhalten.«
Versuchsweise ließ ich den Briefkasten los. Es ging. Ich legte die paar Schritte bis zum Wagen in leidlicher Haltung zurück. Es war ein Streifenwagen mit zwei Polizisten darin.
»Ihr habt wohl gefeiert, was?« erkundigte sich der eine.
»... nicht gefeiert...«, krächzte ich mühsam.
»Nee, du ...«, warf der andere Beamte ein, »guck doch mal, der hat ja das ganze Hemd voll Blut!«
»Tatsächlich... Mensch, was habense denn mit Ihnen angestellt?« fragte der erste wieder.
Kompliziert, dachte ich: Besoffene werden geduzt; Leute mit dreckigen Hemden sind offenbar was Besseres... »Ich bin von Ganoven zusammengeschlagen worden« — Gott sei Dank, sprechen konnte ich auch wieder! —, »da hinten auf dem Bauplatz haben sie mich liegen« lassen. Bewußtlos.«
»Haben Sie Papiere?«
Ich zog meinen Ausweis aus der Tasche und reichte ihn durch das offene Autofenster.
Gleich darauf pfiff der Bamte durch die Zähne. »Sieh mal einer an — ein Privatdetektiv!«
»Ach nee ...«, meinte der andere.
»Ja. Donald Lam heißt er...« Und dann, zu mir gewandt: »Und was treiben Sie hier in der Gegend, Donald Lam?«
»Ich wollte jemand besuchen — im Zusammenhang mit einer Sache, die ich bearbeite. Während der Wagen geparkt war, haben sich die Brüder im Rücksitz versteckt. Als ich dann anfuhr, haben sie mir eine Pistole ins Kreuz gehalten und mich auf das leere Grundstück dort hinten dirigiert... ja, und dann haben sie mich beinahe totgeschlagen.«
»Wo ist denn Ihr Wagen?«
»Den haben sie auch geklaut.«
»Aber Sie haben doch die Nummer und so weiter, ja?«
»Natürlich.«
»Schön, wir werden eine Meldung machen. Vielleicht erwischen wir die Burschen. — Hören Sie mal, Sie sehen aber wirklich gut aus... Übrigens, wen wollten Sie eigentlich besuchen?«
»Ach, einen Mann, der hier in der Nachbarschaft wohnt.«
»Das habe ich mir beinahe gedacht«, grinste er. »Wie heißt er denn?«
Ich zögerte: »Es handelt sich um eine streng vertrauliche Angelegenheit, wissen Sie ...«
»Lassen Sie die Scherze! Den Namen will ich wissen.«
Ich gab es auf. »Mortimer Jasper; er wohnt zwei Blocks weiter nach dort, links um die Ecke.«
»Steigen Sie ein«, forderte mich der Beamte auf. »Den woll’n wir uns doch mal ansehen.«
Gleich darauf hielten wir vor Jaspers Haus. Das Aussteigen war noch schmerzhafter, als das Einsteigen gewesen war. Der eine Polizist half mir und begleitete mich die Stufen hinauf. Der andere blieb im Auto zurück und schaltete die Funksprechanlage ein.
Mein Begleiter klingelte, und gleich darauf öffnete sich die Tür. Mortimer Jasper stand vor uns. Eine höfliche Neugier sprach aus seinen wäßrigen Augen. »Ist was passiert?« erkundigte
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