Der Zweite Messias
Mann war knapp sechzig und trug ein Khaki-Militärhemd, schmuddelige Turnschuhe und eine knielange Cargohose. Eine Baseballkappe saß verkehrt herum auf seinem Kopf. Auf der Vorderseite stand in großen, dunklen Buchstaben NYPD . Er wirkte gereizt, als er Mosberg auf Englisch ansprach. »Hallo, Mosberg. Können Sie mir sagen, wie lange wir noch in dieser verdammten Hitze herumstehen müssen? Die Leute machen schlapp! Sie haben doch von allen die Aussagen, oder nicht?«
»Wir werden uns bemühen, Sie nicht mehr allzu lange aufzuhalten, Mr. Savage. Aber Inspektor Raul hat noch ein paar Fragen an Sie und die anderen. Bleiben Sie also bitte in der Nähe.«
»Wohin sollen wir denn gehen? Wir sind alle froh, wenn wir endlich im Bett liegen.«
»Das ist Inspektor Raul«, sagte Mosberg. »Sie leitet die Ermittlungen.«
Der Amerikaner wandte sich Lela zu und reichte ihr die Hand. »Ich freue mich, Inspektor … na ja, nicht so richtig. Wir alle stehen noch unter Schock.«
Lela fielen die dunklen Ringe unter Savages Augen auf. »Sie sind Mr. Savage, nicht wahr? Sie haben den Leichnam gefunden?«
Savage trank einen Schluck Cola aus der Dose, die er in der Hand hielt. »Ja, und es hat mich ganz schön mitgenommen. Ich war seit Jahren mit Professor Green befreundet. Übrigens heiße ich Buddy. Haben Sie schon eine Ahnung, wer ihn getötet hat?«
»Noch nicht.«
Savage zerdrückte die leere Coladose und warf sie achtlos inden Sand. »Hören Sie, Inspektor, ich habe Mosberg alles gesagt, was ich weiß, und das gilt auch für alle anderen hier. Müssen Sie wirklich noch einmal mit den Leuten sprechen?«
»Ja, das muss ich, Mr. Savage.«
Savage seufzte, nahm seine Baseballkappe ab und strich durch sein dünnes, rotes Haar. »Wären Sie dann wenigstens so nett, die Sache ein bisschen zu beschleunigen? Natürlich wollen wir alle, dass der Mord rasch aufgeklärt wird, aber die meisten von uns haben heute Nacht kaum ein Auge zugetan.«
»Ich werde mich bemühen, Mr. Savage.«
»Ich nehme Sie beim Wort.« Savage setzte die Kappe wieder auf und ging zu den anderen zurück.
»Das ist also Buddy Savage.«
»Ja. Und er hat recht. Wir verhören die Leute jetzt seit vier Stunden, und sie waren fast die ganze Nacht auf. Sie sind erschöpft.«
»Dann wollen wir zusehen, dass es zügig weitergeht.« Lela schaute zu den anderen Mitarbeitern hinüber und sah einen gebräunten Mann in einer abgeschnittenen Khakihose, der soeben aus einem der Container ins Freie trat. Er schaute nicht in ihre Richtung, sondern sprach mit einem seiner Kollegen. »Das ist Jack Cane.«
»Ja, ich erkenne ihn wieder.«
Mosberg runzelte die Stirn. »Sie kennen ihn?«
»Aus einem anderen Leben. Es ist eine Ewigkeit her.« Die Sonne kam wieder heraus, und Lela setzte ihre Sonnenbrille auf. »Aber es dürfte verlorene Zeit sein, eine alte Freundschaft aufzufrischen.«
13.
In dem Raum standen ein zerkratzter Tisch und ein paar alte Stühle. In einer Ecke lag ein Stapel archäologischer Geländekarten. In einer anderen standen Lattenkisten, in denen eine Ansammlung etikettierter Tongefäße, Tonscherben und Tierknochen lagen, die ausgegraben worden waren.
Lela war allein. Sie klopfte mit den Fingern auf den Tisch. Jack Cane stand als Nächster auf ihrer Liste der Personen, die sie verhören musste. Sie hatte bereits mit Yasmin Green und Buddy Savage gesprochen, während Mosberg die anderen verhörte. Yasmin war eine hübsche junge Frau mit toller Figur, die wahrscheinlich jedem Kerl den Kopf verdrehte. Ihren Worten war zu entnehmen, dass sie Jack Cane sehr mochte, auch wenn sie es nicht ausdrücklich gesagt hatte. Lela fragte sich, ob die beiden miteinander schliefen, doch sie verdrängte den Gedanken sofort wieder. Alles, was nicht zur Lösung des Falles beitrug, ging sie nichts an.
Buddy Savage war ein ulkiger Typ. Er erinnerte sie an die Männer, die manchmal mit einem attraktiveren Freund in einer Kneipe herumhingen in der Hoffnung, auf diese Weise eher eine Frau kennen zu lernen. Lela hatte den Eindruck, dass Savage einen scharfen Verstand besaß. Er war ein guter Freund von Jack; Lela hatte erfahren, dass die beiden Männer sich schon seit dem College kannten.
Lela würde die Aussagen von Savage und Yasmin später überprüfen, wenn sie sämtliche Fakten gesammelt hatte. Ihre Notizen von den Verhören lagen vor ihr auf dem Tisch, doch sie warf kaum einen Blick darauf, als sie das Notizbuch nun durchblätterte.
Lela hatte ein seltsames Gefühl. Sie
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