Der Zweite Messias
war angespannt und aufgeregt. Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, als sie Jack Cane zum letzten Mal gesehen hatte: vor zwanzig Jahren am Flughafen von Tel Aviv.
Plötzlich hörte sie Schritte vor dem Container; dann wurde die Klinke heruntergedrückt, und Jack trat ein. Er trug ein Baumwollhemd mit Schulterklappen, eine braune, abgeschnittene Khakihose und Wüstenstiefel, die mit einer Sandschicht überzogen waren. Obwohl er älter geworden war, war er noch immer ein attraktiver Mann – fit und sonnengebräunt. Das jugendliche Gesicht, an das Lela sich erinnerte, war im Laufe der Jahre gereift. Rings um die Augen hatten sich kleine Fältchen gebildet, und in seinem Haar schimmerten silberne Strähnen.
»Hallo, Jack.«
Lächelnd stand er da und schüttelte den Kopf. »Lela Raul! Als ich dich vorhin gesehen habe, wollte ich meinen Augen nicht trauen. Ich weiß, es hört sich blöd an, schließlich geht es hier um eine Mordermittlung, aber ich freue mich sehr, dich wiederzusehen.«
Lela stand auf, und sie schüttelten sich herzlich die Hände. »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Jack.«
Er legte eine Hand auf ihren Arm. »Meine innere Stimme sagt mir, dass wir uns nicht nur die Hände schütteln sollten. Ich würde dir lieber einen Kuss geben und dich umarmen. Aber ich glaube, das lassen wir besser, falls Sergeant Mosberg hereinkommt, nicht wahr? Es bringt mir bestimmt keine Punkte ein, wenn er sieht, dass ich seine Vorgesetzte knutsche.«
Lela lächelte. »Es sei denn, du legst es darauf an, dass ich degradiert werde.«
Zögernd ließ Jack ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. »Es ist verdammt lange her, Lela.«
»Zu lange. Ich habe Artikel über deine Arbeit gelesen. Von den Ausgrabungen in Ägypten und Mittelamerika.«
»Du siehst gut aus. Irgendwie …«
»Älter?«
»Im Gegenteil. Großartig, wollte ich sagen. Und du bist jetzt Polizistin … Inspektor. Dein Dad muss sehr stolz auf dich sein. Wie geht es ihm?«
»Er wohnt in einem Seniorenheim am Rand von Jerusalem. Es geht ihm gut. Der steckt noch manchen Jüngeren in die Tasche.«
»Bist du verheiratet?«
»Geschieden, keine Kinder. Hör mal, Jack, ich würde mich gerne länger mit dir unterhalten, denn es gibt viel zu erzählen, aber erst mal geht mein Job vor. Ich muss dir ein paar Fragen stellen und noch einmal die Dinge mit dir durchgehen, über die du mit Sergeant Mosberg gesprochen hast.«
»Ich habe Mosberg schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Trotzdem musst du mir noch einmal alles erzählen, Jack. Ich glaube, eine Entdeckung wie die deine führt dazu, dass die Menschen sich von ihrer schlechtesten Seite zeigen. Sie werden eifersüchtig und neidisch auf die Bewunderung, die ein solcher Fund mit sich bringt. Das kann zu Auseinandersetzungen und Streitereien führen.«
Jacks Miene verfinsterte sich. »Stimmt. Aber ich weiß nicht, worauf du hinauswillst. Professor Green und ich haben uns wegen dieses Fundes nicht gestritten, Lela. Und falls du dich fragst, ob ich ihn umgebracht habe – ich habe es nicht getan. Ich bezweifle, dass ich überhaupt jemanden umbringen könnte. Außerdem ist ein solcher Fund der Traum eines jeden Archäologen. Es ist beinahe so, als hätte man einen Oskar gewonnen. Das Interesse der Medien und der Fachwelt ist grenzenlos.«
Lela warf einen Blick durchs Fenster auf die Journalisten und die Fernsehteams, die sich im Camp versammelt hatten. »Wie ich sehe, haben die Medien sich schon auf den Fall gestürzt.«
»Ich habe für eine solche Entdeckung hart gearbeitet, Lela. Wahrscheinlich ist sie der Höhepunkt meiner Karriere, und am liebsten würde ich es in meinen Grabstein meißeln lassen. Warum sollte ich das alles gefährden, indem ich Green umbringe?«
Lela dachte über Jacks Antwort nach und warf noch einen raschen Blick durchs Fenster auf die ausgedörrten Hügel. »Ich weiß, dass es sich bei den Schriftrollen um bedeutende Funde handelt. Aber was ist so sensationell an der Rolle, die du gefunden hast?«
»Du machst dir keine Vorstellung, Lela«, erwiderte Jack aufgeregt. »Es könnte der Fund des Jahrhunderts sein. Der sensationellste Fund in der Geschichte der Archäologie!«
»Du hältst ihn für so bedeutend?«
»Wir haben den Namen Jesu Christi auf der Schriftrolle entdeckt. Es ist unglaublich. Und weißt du, warum?«
Lela nahm ihr Notizheft in die Hand. »Nein. Was hältst du davon, wenn du mir die Stelle zeigst, wo du die Schriftrolle gefunden hast, und es mir unterwegs
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