Der Zweite Messias
Ryan.
»Sie können sich gewiss vorstellen, dass einige der geheimen Akten im Vatikan Informationen enthalten, die so sensibel sind, dass sie der Öffentlichkeit absichtlich vorenthalten wurden. Esgeht um historische Sachverhalte, aber auch um okkulte Dinge. Ohne es zu präzisieren, kann ich Ihnen verraten, dass ein Teil des Materials ziemlich … nun, schockierend ist. Es gibt Leute, die sich sehnlichst wünschen, dass gewisse Akten des Vatikans niemals veröffentlicht werden.«
»Wen meinen Sie, Eminenz? Ich …«
Cassini hob eine Hand. »Dazu kommen wir später. Wie Sie wissen, zähle ich mich zu den Autoritäten des Vatikans, die in einige dieser Geheimnisse eingeweiht sind. Und niemand hütet seine Geheimnisse sorgfältiger als der Vatikan. Unsere Archive sind die wohl am besten bewachten auf der ganzen Welt. Doch jetzt müssen wir uns darauf vorbereiten, den Wünschen des Heiligen Vaters Folge zu leisten.«
»Aber was hat das alles damit zu tun, dass sein Leben in Gefahr sein soll?«
Die Sicherheitskette rasselte, als Cassini beunruhigt die Aktentasche in die Hand nahm. Er zog einen Schlüssel unter seiner Soutane hervor, öffnete das Schloss und nahm eine dicke rote Ledermappe mit dem Wachssiegel des Vatikans heraus. Das Siegel war bereits aufgebrochen, und das Bündel war nur mit einer Wachskordel zusammengeschnürt.
Cassini tippte mit den Fingern auf die Mappe. »Sie werden es verstehen, sobald Sie das hier gelesen haben. Es handelt sich um einen Teil des Materials aus den Vatikanischen Archiven, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Ich muss gestehen, ich habe meinen Einfluss benutzt, um Ihnen die Liste vorlegen zu können. Der Präfekt der Archive weiß nichts davon. Er glaubt, ich würde die Dokumente auf Geheiß des Heiligen Vaters studieren.«
Ryan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Um was für Material handelt es sich?«
»Wie ich bereits angedeutet habe, ist es streng vertraulich. Da Sie der Leiter des Sicherheitsdienstes des Heiligen Vaters sind, sollten Sie über alles im Bilde sein, was diesbezüglich auf dem Spiel steht. Wenn Sie das hier erst gelesen haben, werden Sie mir beipflichten, dass sehr viel auf dem Spiel steht.« Cassini lächelte freudlos. »Normalerweise dürfte die Außenwelt niemals erfahren, was in dieser Akte steht. Der Grund dafür wird Ihnen gleich einleuchten. Bestimmte Dinge betreffen längst vergangene Epochen, sogar die Zeit Jesu Christi. Andere sind neueren Datums. Und jetzt kommt Ihnen, Sean, das unerfreuliche Privileg zu, einige dieser Geheimnisse kennen zu lernen.«
Cassini schob die Ledermappe in die Mitte des Schreibtisches. Dann umfasste er den Knochengriff des Brieföffners und durchtrennte mit einer geschickten Drehung des Handgelenks die Wachskordel.
»Sie wissen, wie man mit einer Klinge umgeht«, sagte Ryan.
Cassini lächelte verhalten, als er Ryan die Akte hinschob. »Das muss mein sizilianisches Blut sein.«
Ryan, der die Mappe mit seinen kräftigen Händen vom Tisch nahm, fühlte sich mit einem Mal unbehaglich. »Warum habe ich ein so ungutes Gefühl bei der Sache?«
Cassini wies mit dem Kinn auf die Mappe. »Lesen Sie zuerst einmal, Sean. Dann reden wir darüber.«
23.
Ryan, der immer noch in Kardinal Cassinis Büro saß, klappte die Mappe zu. Seine Hände zitterten, und sein Gesicht war blass, als er den Blick hob. In seinem Inneren herrschte heller Aufruhr. Mehr als fünfzehn Minuten waren verstrichen, doch er hatte es nicht einmal bemerkt. »Mein Gott«, flüsterte er. »Ist das alles wirklich wahr, was ich gelesen habe?«
»Jedes Wort«, erwiderte Cassini. »Verstehen Sie jetzt, in welch ernster Situation wir sind?«
Ryan war so bestürzt, dass er nicht einmal nicken konnte. »Heilige Mutter Gottes, das ist ja entsetzlich.«
»Erschüttert es Ihren Glauben?«
Ryan strich sich über die Stirn. »Nein. Ich bin schon zu lange Priester, und mein Glaube ist fest verwurzelt. Aber es macht mir Angst.«
»Jetzt werden Sie auch verstehen, warum das Leben des Heiligen Vaters in Gefahr sein könnte.«
»Ja. Hat man ihn darüber informiert?«
Cassini legte die Dokumente in die Akte zurück. »Natürlich. Ich habe es ihm gleich nach seiner Wahl gesagt. Aber er bleibt hart. Er betrachtet die Sache als persönlichen Kreuzzug.«
Ryan, noch immer aschfahl, schüttelte den Kopf. »Ich bin zutiefst beunruhigt, Eminenz. Einige dieser Dinge werden großes Aufsehen erregen.«
»Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Papst
Weitere Kostenlose Bücher