Der Zweite Messias
Kirche, die jede Veränderung als Bedrohung ihrer Macht undihres Einflusses betrachten. Nicht zu vergessen die verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften in Amerika, die dem Papst sehr skeptisch gegenüberstehen. Oder die extremistischen religiösen Randgruppen, die ihn für eine Art Antichristen halten und ihn gerne tot sehen würden. Wie Sie sich denken können, kann die Gefahr aus jedem dieser Lager kommen.«
»Ich weiß, und das betrübt mich sehr, Sean«, sagte Cassini mit düsterer Stimme. »Wo wir gerade über beunruhigende Entwicklungen sprechen, ich hatte ebenfalls ein beunruhigendes Erlebnis.«
»Und welches?«
Cassini griff in seine schwarze Anzugjacke und zog einen Brief und einen Umschlag heraus, die in einer durchsichtigen Plastiktüte steckten. »Das ist heute Morgen mit meiner Post gekommen. Ich weiß nicht, ob es Absicht oder ein Irrtum war. Mein Sekretär hat mir den Brief sofort gezeigt. Ich war erschüttert. Ich habe mir erlaubt, beides in eine Plastiktüte zu stecken.« Cassini zuckte mit den Schultern. »Fragen Sie mich nicht warum, Sean, aber ich habe einmal im Fernsehen gesehen, dass die Kriminalbeamten es so machen. Wie nennen sie es gleich? Eine Beweistüte?«
Ryan nahm die Plastiktüte mit dem Brief entgegen. Der Text bestand aus einzelnen Buchstaben des Alphabets, die aus Zeitungen ausgeschnitten und auf ein Blatt Papier geklebt worden waren. Die Botschaft lautete:
DER PAPST IST DER ANTICHRIST, EIN HANDLANGER DES TEUFELS. ER WIRD DIE KIRCHE MIT SEINEN ENTHÜLLUNGEN RUINIEREN UND MUSS VERNICHTET WERDEN.
Die Botschaft trug keine Unterschrift, doch das hatte Ryan auch nicht erwartet. Er runzelte die Stirn. »Außer Ihnen und Ihrem Sekretär hat niemand den Brief angerührt?«
»Soviel ich weiß, nicht.«
Ryan faltete die Tüte vorsichtig zusammen und steckte sie ein. »Ich lasse das untersuchen. Wir werden Ihre Fingerabdrücke und die Ihres Sekretärs nehmen müssen, damit wie sie von anderen unterscheiden können, die wir möglicherweise finden.«
»Verstehe.«
»Darf ich fragen, ob Sie den Heiligen Vater informiert haben?«
Cassini trank noch einen Schluck von dem köstlichen Barolo. »Noch nicht. Ich dachte mir, das überlasse ich Ihnen. Sie sehen besorgt aus. Haben Sie noch etwas auf dem Herzen, Sean?«
»Der Heilige Vater war heute Morgen mehr als zwei Stunden verschwunden.«
»Verschwunden?«
»Er hatte den Vatikan verlassen. Ich weiß nicht, wo er war. Als er wieder auftauchte, erklärte sein Sekretär ihm, er sei furchtbar in Sorge gewesen, als er ihn nirgends finden konnte. Der Papst ging mit einem Schulterzucken darüber hinweg.«
Cassini schüttelte den Kopf. »Das darf nicht noch einmal passieren. Das ist absurd.«
»Ja. Deshalb schlage ich vor, den Heiligen Vater unter Beobachtung zu stellen. Ich hätte gerne Ihre Einwilligung, Eminenz.«
Cassini aß den letzten Bissen seines Desserts, tupfte sich die Lippen ab und warf die Serviette auf den Tisch. »Natürlich. Die Sicherheit des Papstes hat oberste Priorität. Aber wir müssen diskret vorgehen. Es wäre mir am liebsten, wenn Sie die Sache persönlich übernehmen, Sean.«
»Ich soll dem Heiligen Vater auf Schritt und Tritt folgen?«
»Sie sind der Chef des Sicherheitsdienstes. Wer wäre besser qualifiziert, den Papst im Auge zu behalten? Außerdem sind Sie in Selbstverteidigung ausgebildet, und wenn die Gerüchte der Wahrheit entsprechen, sind Sie ein ausgezeichneter Schütze.«
Ryan kniff die Augen zusammen. »Ich bin auf beiden Gebieten ein bisschen eingerostet, aber wenn Sie darauf bestehen.«
»Ja, das tue ich. Das ist eine sehr delikate Angelegenheit.«
»Gut, aber vielleicht könnten Sie mit dem Heiligen Vater sprechen, Eminenz, und ihn überzeugen, sich nicht so oft in der Öffentlichkeit zu zeigen und eine kugelsichere Weste zu tragen. Die Kirche braucht einen Papst, keinen weiteren Märtyrer.«
33.
M AALULA, S YRIEN
19.50 U HR
Der Militärlaster hielt mit quietschenden Bremsen. Jack, der auf der Ladefläche saß, stand auf und half Yasmin hoch. Josuf erhob sich ebenfalls und schaute durch eine Ritze in der Plane. »Ich glaube, wir sind da.«
Es wurde allmählich dunkel. Sie hatten an einem Wadi neben mehreren Palmen angehalten. Vor ihnen, am Fuße eines kahlen Berges, lag ein Dorf, in dem noch geschäftiges Treiben herrschte. Einige der gedrungenen, gekalkten Häuser waren in den Fels gehauen worden und sahen aus, als wären sie viele Jahrhunderte alt. Andere schmiegten sich bis fast zum
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