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Der Zweite Messias

Titel: Der Zweite Messias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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in einem Straßencafé etwa fünfzig Meter entfernt.
    Ryan blieb neben einem Eckgeschäft stehen und zuckte zusammen. Auf dem Schild über dem Laden stand »Madame Sexy«. In dem Geschäft war es dunkel, was Ryan ganz recht war, denn im Schaufenster standen leicht bekleidete Schaufensterpuppen, die erotische Unterwäsche trugen. Er war schließlich in Roms Rotlichtviertel.
    Ryan war so nervös wie ein Junge, der die Schule schwänzte. Er war sich ganz sicher, dass John Becket ihn entdeckt hatte und wusste, dass er beschattet wurde. Ryan konnte nichts daran ändern; er konnte nur versuchen, Abstand zu halten und möglichst in Deckung zu bleiben. Das Spiegelbild auf der Schaufensterscheibe bot ihm nun die Gelegenheit, alles zu beobachten, was im Café passierte. Und was er sah, schockierte ihn so sehr, dass er einen Blick über die Schulter riskierte.
    Der Papst plauderte mit einer durchaus attraktiven, aber ordinären blonden Frau in einem kurzen Rock und Stiefeln. Und wenn in dieser Gegend eine Frau so gekleidet war, musste sie eine Prostituierte sein. Ryan mochte gar nicht daran denken, was für ein Fest es für die Boulevardpresse wäre, wenn der Papst dabei beobachtet wurde, wie er mit einer Nutte in einem Straßencafé saß. Die Bilder würden auf der Titelseite sämtlicher Zeitung in aller Welt erscheinen. Noch schlimmer war, dass der Papst sich offenbar bestens amüsierte. Er lächelte die junge Frau an.
    Ryan schüttelte den Kopf. Das war der reinste Irrsinn. Päpste waren nicht dafür bekannt, dass sie sich in Rotlichtviertel wagten und mit Prostituierten sprachen. Jedenfalls nicht mehr seit den Zeiten der Borgia im sechzehnten Jahrhundert.
    Ryan versuchte sich einzureden, dass es vielleicht ganz harmlos war, was er beobachtete, und dass der Papst lediglich mit den weniger Glücklichen der Gesellschaft ins Gespräch kommen wollte. Zugleich aber wusste er, dass er nur nach Entschuldigungen suchte. Seine innere Stimme schrie, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Dieses Viertel konnte ein sehr heißes Pflaster sein.
    Ryan presste eine Hand auf seine linke Hüfte. Es war ein beruhigendes Gefühl, als er über die Pistole in dem schwarzen Galico-Lederholster strich, das unter dem Hosenbund befestigt war.
    Ryan drehte sich wieder zum Schaufenster um und betrachtete die Spiegelbilder des Papstes und der Prostituierten.
    Was ging hier vor, um Himmels willen?

    »Italienische Männer meinen, wir sollten sie noch bezahlen, diese eingebildeten Machos.«
    »Meinst du?« Becket wunderte sich über sich selbst, doch er fand die schamlose Offenheit dieser jungen Frau recht unterhaltsam. Es war ein frischer Wind nach der steifen Förmlichkeit des Vatikans.
    »Ich weiß es«, fuhr Maria fort. »Alle Kerle denken nur an Sex. Kennen Sie die Geschichte von Luigi?«
    »Nein.«
    »Seine junge Frau stirbt, und bei der Beerdigung heult er sich die Augen aus dem Kopf. Als der Sarg ins Grab gelassen wird, legt Luigis Freund einen Arm um seine Schultern und sagt:›Mach dir keine Sorgen, bald finden wir ein anderes nettes Mädchen für dich, das dich glücklich macht.‹ Und Luigi erwidert: ›Das ist ja alles schön und gut, aber was ist mit heute Nacht?‹«
    Maria kicherte und schlug mit einer Hand auf ihren Lederstiefel. »Nicht schlecht, Pater, was?«
    John Becket lächelte. »Nicht schlecht. Ich würde dir ja auch gerne einen Witz erzählen, aber heute Abend bin ich ein bisschen zerstreut.«
    Maria trank einen Schluck Campari. »Wie kommt’s?«
    Becket warf einen nervösen Blick auf die andere Straßenseite. »Es sind zu viele Dinge, um sie alle aufzuzählen, Maria.«
    »Sie sprechen gut Italienisch, Pater, aber Sie sind kein Italiener, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    Er ließ es dabei bewenden, und Maria hakte nicht nach, sondern prostete ihm zu. »Wissen Sie, für einen Priester sind Sie ganz okay.«
    »Meinst du, andere Priester sind es nicht?«
    Maria stellte ihr Glas ab. »Die, die ich kennen gelernt habe, sind es nicht. Sie wollten Sex, wie alle Kerle. Alle Männer werden mit offenem Hosenschlitz geboren.«
    »Wir alle sind Sünder, Maria, auf die eine oder andere Weise. Deshalb müssen wir uns nach besten Kräften bemühen, unser Leben mit Anstand, Würde und Achtung vor den Mitmenschen zu führen und dem Beispiel Jesu zu folgen. Würden wir alle uns daran halten, könnten wir in einer fast perfekten Welt leben.«
    »Erzählen Sie mir jetzt nicht, dass Sie einer dieser Weltverbesserer sind, die in diesem

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