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Der Zweite Messias

Titel: Der Zweite Messias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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herzlich die Hände, ehe er ihn auf beide Wangen küsste. »Liam, alter Freund.«
    Als Kelly niederknien und den päpstlichen Ring küssen wollte, protestierte der Papst. »Bitte, wir beide kennen uns schon eine Ewigkeit. Sie bringen mich in Verlegenheit. Gefällt Ihnen mein Versteck? Abt Fabrio ist ein alter Bekannter von mir, und er verwöhnt mich sehr. Wein zum Essen und jeden Tag frische Betttücher. Seine Güte beschämt mich.«
    Kelly stand auf und bewunderte den Garten. »Ein friedlicher Ort. Man hört keinen Verkehrslärm. Das ist ein wahres Wunder. So wie Römer heutzutage Auto fahren, müssen einst die Wagenlenker im Kolosseum gefahren sein. Gestern hätte mich einer dieser Verrückten um ein Haar überfahren.«
    Der Papst kicherte. »Sie Armer. Und wie haben Sie reagiert?«
    »Ich habe ihn in meinem besten Italienisch als ignoranten Idioten beschimpft.«
    Der Papst lachte und zeigte auf die Bank am Teich. »Setzen wir uns. Hier können uns die Posten nicht hören. Wir können ungestört reden.«
    Sie setzten sich an den Teich mit der sprudelnden Fontäne. »Also, Liam, was haben Sie Wichtiges mit mir zu besprechen?«
    Kelly seufzte und starrte auf das plätschernde Wasser. Seine Stimme hatte ihren fröhlichen Klang verloren, als er berichtete: »Jeden Tag hören die Kardinäle und Bischöfe Geschichten über Ihre Inspektoren, die sich durch das Archiv wühlen.«
    »Was haben Sie sonst noch gehört, alter Freund?«, fragte der Papst geduldig.
    »Dass sie brisantes Material entdecken. Vieles davon könnte die Kirche in arge Verlegenheit bringen. Wir sollten es lieber im Dunkeln der Geschichte ruhen lassen. Sie haben auch gehört, dass sämtliche Dokumente, die Finanzgeschäfte der Kirche betreffend, zur öffentlichen Einsichtnahme bereitgestellt werden sollen …«
    »Genau wie ich es versprochen habe, Liam«, unterbrach der Papst ihn. »Wie können wir über die Wahrheit sprechen und sie zugleich verbergen?«
    Kelly errötete. »Außerdem gab es eine Episode mit einer Prostituierten. Und nun das hier. Sie verlassen Ihre Gemächer im Vatikan und ziehen in ein Kloster. Darf ich ehrlich sein?«
    »Waren wir nicht immer ehrlich zueinander?«
    »Das alles mag die jungen Leute beeindrucken, die Sie für einen zweiten Messias halten, Heiliger Vater, aber für die Grauhaarigen unter uns treiben Sie es zu weit. Vom Gegenpapst ist die Rede, sogar vom Antichristen. Für einige ältere, konservative Kardinäle scheinen Ihre umstrittenen Entscheidungen eine Bestätigung dieser Einschätzung zu sein. Und um allem die Krone aufzusetzen, geben Sie jetzt auch noch Ihre offizielle Residenz im Vatikan auf.«
    »Bin ich als Papst weniger wert, weil ich beschlossen habe, hier zu wohnen?«, fragte Becket, in dessen Stimme nicht die geringste Verärgerung mitschwang.
    »Das habe ich nicht gemeint.« Kelly errötete wieder. »Der Pressestelle des Vatikans ist es bis jetzt gelungen, die Sache geheim zu halten. Doch wenn erst die Medien Wind davon bekommen, werden einige Leute glauben, dass der Stellvertreter Christi auf Erden beschlossen hat, wie ein Eremit zu leben, oder dass er den Verstand verloren hat. Oder beides. Und da ist noch etwas …«
    »Ich höre, Liam.«
    »Es geht um Ihr Bestreben, den anderen christlichen Gemeinschaften die Hand zu reichen. Es gibt Befürchtungen, Sie könnten diesen Gedanken zu sehr ausweiten.«
    »Alle Christen haben gemeinsame grundlegende Glaubens- und Wertvorstellungen, Liam. Und darf ich Sie an eines Ihrer eigenen Lieblingszitate erinnern? ›Das Antlitz Gottes kann aus tausend verschiedenen Blickwinkeln geschaut werden.‹«
    »Ja, ich weiß. Aber Ihre Bestrebungen gehen manchen Kardinälen viel zu weit, Heiliger Vater! Sie wollen allen Menschen die Hand reichen …«
    »Genau das, Liam«, unterbrach der Papst ihn, »hat Christus uns gelehrt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.«
    »Ja, gewiss, aber das alles ändert nichts daran, dass Sie von Teilen der Kurie als Bedrohung betrachtet werden.«
    Der Papst schüttelte den Kopf. »Wer hat Sie auf mich angesetzt, Liam? Waren es Ihre irisch-amerikanischen Mitbrüder? Diejenigen, die wir oft aus Spaß die ›irische Mafia‹ genannt haben? Haben diese Leute Sie, einen meiner Landsmänner, zu mir geschickt, damit ich meine Meinung ändere?«
    »Ich bin als Vertrauter und als Freund gekommen, HeiligerVater. Und aus Sorge um Sie und die Kirche.« Kelly beugte sich zu Becket vor und flüsterte eindringlich: »Begreifen Sie denn nicht, dass die

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