Der Zweite Messias
Kirche um Jahrhunderte zurückgeworfen wird, wenn Sie Ihre Pläne verwirklichen?«
Der Papst blickte Kelly in die Augen. »Nein, Liam. Darauf haben die Gläubigen gewartet. Auf einen Neuanfang. Eine Erneuerung. Eine Rückkehr zu den einfachen Werten, wie Jesus sie vertreten hat.«
»Meinen Sie wirklich, diese Möglichkeit wird es noch geben, nachdem die italienische Steuerbehörde den Vatikan beinahe in den Ruin getrieben und uns wegen früherer finanzieller Steuervergehen auf Milliarden verklagt hat?«, fragte Kelly, der nun ein wenig verärgert wirkte. »Und nachdem die Hälfte der Gläubigen sich wegen der Enthüllungen aus den Archiven von der Kirche abgewendet hat?«
»Liam, ich muss Ihnen etwas sagen. Es sieht so aus, als wären einige Berichte, die meine Inspektoren zu finden hofften, aus den Archiven verschwunden. Möglicherweise wurden sie absichtlich entwendet.«
»Wollen Sie damit andeuten, dass ich, einer Ihrer treusten Kardinäle, etwas damit zu tun habe?«, fragte Kelly mit geröteten Wangen.
»Natürlich nicht, Liam. Ich übergebe die Sache an Monsignore Ryan. Ich hoffe, er wird alles aufklären.«
»Was wollten Sie damit sagen, Heiliger Vater?«
Der Papst legte Kelly eine Hand auf den Arm. »Dass die Kirche die Verantwortung für ihre Sünden übernehmen muss, Liam. So wie wir unsere Gläubigen ermahnen, die Verantwortung für ihre Verfehlungen zu übernehmen. Ich halte an meinen Plänen fest.«
Kelly strich sich mit der Hand übers Gesicht. Dann griff erunter seine Soutane, zog einen Zeitungsausschnitt hervor und legte ihn neben Becket auf die Bank. »Ich wollte Ihnen das hier zeigen.«
Die Überschrift in italienischer Sprache lautete: BRUTALER MORD. MYSTERIÖSE, ZWEITAUSEND JAHRE ALTE IN ISRAEL GEFUNDENE SCHRIF TROLLE VERSCHWUNDEN.
Kelly zeigte auf den Zeitungsausschnitt. »In Qumran wurde noch eine Schriftrolle gefunden. Ein anerkannter Experte, Professor Green, wurde ermordet. Bis jetzt scheint die israelische Polizei den Täter noch nicht gefasst zu haben.«
Mit bleichem Gesicht überflog der Papst den Text. »Ja, das habe ich gelesen.«
»Der Heilige Vater ist besser informiert, als ich dachte.«
Becket schaute Kelly betroffen an. »Offenbar nimmt das Unglück, das diese Schriftrollen nach sich ziehen, kein Ende. Es ist wie ein Fluch.«
Kelly faltete den Zeitungsausschnitt wieder zusammen. »Ich kenne noch einen anderen Fluch – Ihre Absicht, die Archive zu öffnen. Das könnte für alle, die wissen, was vor zwanzig Jahren wirklich in Qumran passiert ist, den Untergang bedeuten. Und wir gehören dazu. Was geschieht, wenn ein Forscher der Wahrheit auf die Spur kommt? Das könnte uns den Kopf kosten.«
»Ich weiß.«
»Sie, ich, Cassini, Pater Kubel … Wir wissen, was Robert Cane gefunden hat und warum wir es geheim halten mussten. So, wie wir die anderen Schriftrollen geheim gehalten haben.«
Der Papst senkte beschämt den Kopf und presste die Hände zusammen, als spräche er ein stummes Gebet. »Es war eine Tragödie, was Robert Cane zugestoßen ist.«
»Möge Gott sich unserer Seelen erbarmen für das, was damals im Namen der Kirche getan wurde. Aber hätte Cane dasDokument der Welt gezeigt, wäre es eine noch schlimmere Katastrophe gewesen.«
»Worauf wollen Sie hinaus, Liam?«
»Die Gefahr ist heute nicht geringer als vor zwanzig Jahren. Verstehen Sie denn nicht, was passiert, wenn wir die Wahrheit über die Schriftrollen preisgeben? Wir beide sind in das Verbrechen verstrickt, das damals verübt wurde. Das könnte das Ende für Ihr Pontifikat, die Kirche und uns alle bedeuten!«
Besorgt fuhr der Papst sich mit der Hand durchs Gesicht. »Meinen Sie, das hätte ich nicht bedacht? Dieses Dilemma quält schon lange mein Gewissen.«
»Und?«
»Ich ringe noch immer um eine Entscheidung. Manchmal glaube ich, dass es unsere größte Stunde wäre, wenn wir die Wahrheit sagen. Manchmal wiederum – das gebe ich zu – hege auch ich Zweifel, ob es klug ist, dieses dunkle Geheimnis zu enthüllen, das wir beide kennen. Beten Sie, dass der Herr mir den Weg weist, Liam. Werden Sie das für mich tun?«
»Gewiss, Heiliger Vater. Und ich werde auch dafür beten, dass Sie zumindest unser Geheimnis für sich behalten. Wir sollten keine alten Wunden aufreißen. Sie können die Archive öffnen, ohne das Verderben unserer ältesten Freunde zu besiegeln. Und denken Sie an Ihre Position. Eine Enthüllung dieser Tragweite könnte die Kirche vernichten.«
»Sie kennen meine Einstellung zur
Weitere Kostenlose Bücher