Der zweite Mord
sei, hatte man meist gefragt. Sie hatte es also sehr schnell wieder gelassen.
»Ich habe keine Zeit … ich muss die Zeit nutzen und hier aufräumen«, antwortete Anna-Karin unsicher.
»Die Bazillen laufen Ihnen schon nicht weg. Die Staubflocken auch nicht«, sagte Irene.
Tommy sah sie verärgert an, aber das konnte sie jetzt auch nicht ändern. Diese kleine Zicke versteckte sich hinter all ihren Pflichten! Jetzt würde sie endlich reden und damit basta!
Anna-Karin presste die Lippen zusammen. Ihre Wangenmuskeln zeichneten sich unter der Haut ab, aber sie antwortete nicht. Schließlich knallte sie den Lappen auf den Schreibtisch.
»Okay. Aber ich habe schon alles gesagt.«
»Nein. Das haben Sie nicht«, erwiderte Irene.
Die Wirkung auf die Krankenschwester war augenblicklich. Alle Farbe verschwand aus ihrem Gesicht, und sie riss ihre veilchenblauen Augen auf.
Anna-Karin ruderte mit der rechten Hand und bekam schließlich den Schreibtischstuhl zu fassen. Unbeholfen zog sie ihn heran und ließ sich schwer darauf fallen. Ihr eben noch bleiches Gesicht wurde von einer flammenden Röte überzogen. Noch immer sagte sie nichts.
Diese heftige Reaktion überraschte Irene. Alle ihre Polizeiinstinkte erwachten. Ihr intuitiver Lügendetektor war in höchster Alarmbereitschaft. Es hatte den Anschein, als hätte Anna-Karin ein schlechtes Gewissen. Oder hatte sie vor allem Angst?
»Wir würden gerne etwas genauer erfahren, was Sie über die Trennung Lindas von ihrem Freund wissen«, begann Tommy.
Anna-Karin entspannte sich etwas und entgegnete ruhig:
»Wir hatten nie mehr Gelegenheit, uns darüber zu unterhalten. Es ging alles so schnell. Eines Tages sagte sie einfach, dass Pontus am nächsten Wochenende ausziehen würde.«
»Das muss um den 1. Februar herum gewesen sein. Stimmt das?«
»Doch. Das könnte hinkommen.«
»Vorher hatte sie nie erzählt, dass es Probleme gibt?«
»Nein. Diese Fragen habe ich bereits beantwortet …«
»Das wissen wir. Aber wir wollen es noch einmal hören«, unterbrach sie Irene.
»Sie hatten also keine Gelegenheit mehr, darüber zu sprechen, warum sie Schluss gemacht hatte, wenn ich Sie recht verstehe?«, fuhr Tommy fort.
»Nein. Hier ist es immer so stressig«, flüsterte Anna-Karin.
»Sie haben sich nach dieser Trennung kein einziges Mal mehr mit ihr privat getroffen?«
»Nein. Sie half Pontus dabei, seine Sachen zu packen, und … wir hatten keine Zeit mehr dazu.«
»Aber Sie haben doch wohl miteinander telefoniert?«
Anna-Karin erhob die Stimme zu einem klaren und festen »Nein«.
Mit einem dumpfen Geräusch schnappte die Falle zu. Jetzt saß Anna-Karin fest. Sie wusste es noch nicht, würde es aber sehr bald erfahren.
»Wir wissen, dass Sie lügen. Mittlerweile ist es sehr einfach, Telefongespräche zurückzuverfolgen. Wir wissen, dass Sie Linda am Abend ihres Todes angerufen haben. Sie haben von sich zu Hause angerufen und das Gespräch ist registriert.«
Ein weiteres Mal machte Anna-Karin den wenig kleidsamen weißroten Farbwechsel durch.
»Ja … ich vergaß … das. War das an diesem Montagabend? Ich dachte … das sei am Wochenende gewesen.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«
»Linda wollte am folgenden Wochenende ein kleines Fest veranstalten. Sie wollte mein Waffeleisen ausleihen. Wir wollten Erbsensuppe essen und anschließend Waffeln mit Multebeer … konfitüre.«
Bei den letzten Worten brach ihre Stimme, und sie begann zu weinen.
Tommy und Irene warfen sich einen Blick zu, sagten aber nichts. Ruhig warteten sie ab, bis Anna-Karins Weinkrampf vorüber war.
Schniefend nahm Anna-Karin den Lappen und putzte sich die Nase. Sofort wurde diese flammend rot. Das Reinigungsmittel hatte es in sich.
»Das ist alles so schrecklich! All das mit Marianne und Linda. Und ich habe immer Sonderschichten schieben müssen. Siv Persson ist schließlich auch krankgeschrieben. Es ist alles einfach zu viel. Ich bin vollkommen durcheinander und kann schon nicht mehr klar denken. Ich habe wirklich geglaubt, dass ich mich am Sonntagabend mit Linda unterhalten habe. Ein kurzes Gespräch. Über das Waffeleisen«, sagte Anna-Karin abschließend.
Wieder presste sie die Lippen zusammen. Es war ganz offenbar, dass sie an der Geschichte mit dem Waffeleisen festzuhalten gedachte. Ruhig sagte Irene:
»Wir müssen Sie bitten, aufs Präsidium mitzukommen.«
»Warum das?«, wollte Anna-Karin erschrocken wissen.
»Wir müssen ein richtiges Verhör mit Ihnen durchführen. Wir sind der
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