Der zweite Mord
richtete ihren Blick auf Irene. Das Mädchen, das Sverkers und Carinas Tochter sein musste, hatte die Augen ihres Vaters und ihrer Großmutter geerbt. Im Übrigen glich sie ihren Eltern überhaupt nicht. Irene erinnerte sich daran, dass sie Emma heißen und elf Jahre alt sein musste. Emma drehte den Kopf nach hinten und rief ins Haus:
»Mama!«
Sie mussten eine geschlagene Minute warten, bis Carina Löwander erschien. Irene hörte, wie Tommy nach Luft schnappte. Sie musste ebenfalls zugeben, dass Carina sehr hübsch war.
Das blonde Haar war weit oben zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug einen eisblauen, tief ausgeschnittenen Aerobicdress. Um ihre schmale Taille noch zu unterstreichen, hatte sie einen schwarzen Gürtel angezogen. Der String darunter war ebenfalls schwarz. Auf ihrer sonnengebräunten Haut standen die Schweißperlen. Vielleicht hatte sie sich auch mit einem Öl eingerieben, denn sie duftete nach Kokos. Irene stellte verärgert fest, dass sie überhaupt nicht nach Schweiß roch.
»Hallo. Entschuldigen Sie diesen Aufzug. An den Tagen, an denen ich nicht im Fitnessstudio arbeite, sehe ich zu, dass ich hier zu Hause trainiere. Aber treten Sie doch ein.«
Carina lächelte freundlich und ließ sie in die Diele. Sie durften ihre Jacken an einer nüchtern schwarz lackierten Garderobe aufhängen.
Tommy räusperte sich:
»Wir würden Sie gerne fragen, was Sie in den Reisetaschen gefunden haben.«
»Das verstehe ich. Wirklich dumm von mir, dass ich davon nichts gesagt habe. Aber schließlich ist es schon eine Weile her. Ich dachte nie daran, dass jemand zwischen dem und dem … was der armen Linda zugestoßen ist, eine Verbindung herstellen könnte.«
Sie drehte sich um und ging voran.
Irene sah, dass Tommy auf den schwarzen String starrte, der zwischen Carinas festen Pobacken verschwand. Sie bewegte sich elastisch und schön. Kein Gramm Fett. Nur Muskeln!, dachte Irene neidisch. Sie selbst war zwar durchtrainiert, aber dieses eiserne Training jedes einzelnen Muskels hatte sie nie praktiziert. Sie hatte auch nie den Sinn davon verstanden. »Fitnesscenter«. Ausnahmsweise musste sie Jonny Recht geben. Das klang wirklich nach Bordell.
Carina ging vor ihnen her und eine Kellertreppe hinunter. Dort unten war vermutlich einmal ein großer Partykeller gewesen, aber Carina hatte ihn in ein Fitnessstudio umgewandelt. So weit Irene das beurteilen konnte, war alles vorhanden, um professionell trainieren zu können. Nicht einmal die Spiegel an den Wänden fehlten.
Carina ging durch den Trainingsraum und öffnete eine Tür am anderen Ende. Sie deutete hinein.
»Hier habe ich mein Arbeitszimmer. Und hier sehen Sie auch, was ich aus Hildings Tasche genommen habe.«
Irene und Tommy traten in das überraschend geräumige Zimmer. Unter den großen Kellerfenstern stand an der einen Wand ein Schreibtisch mit Computer, Fax und Telefon. Die Längswand füllten drei Lagerregale von IKEA. An den restlichen Wänden hingen Poster von männlichen und weiblichen Bodybuildern. In der Mitte des Raums lagen auf einem großen Küchentisch Papierrollen. Carina machte die Lampe an, die darüber hing. Sie ging auf den Tisch zu und suchte unter den Rollen eine bestimmte, schließlich hatte sie die gesuchte gefunden.
»Hier! Ein Originalplan der Löwander-Klinik.«
Sie rollte den Grundriss auf dem Tisch aus und trat anschließend beiseite, damit die Polizisten besser sehen konnten.
Die Linien waren vom Alter verblichen. In der rechten unteren Ecke stand die Jahreszahl 1884. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass es sich hier wirklich um die Originalpläne der Löwander-Klinik handelte.
Im Dachgeschoss konnte Irene den Speicherraum ausmachen, auf dem Tekla und Linda tot aufgefunden worden waren. Er war als »Speicherraum« ausgewiesen. Wo heute der OP-Trakt lag, hatte es früher vier Zimmer mit der Bezeichnung »Schwesternwohnung« gegeben. Zu dieser hatten direkt bei der Treppe eine gemeinsame Küche sowie eine Toilette mit Waschraum gehört.
Auf der anderen Seite der Treppe hatten ein Bereitschaftszimmer für die Ärzte, ein Ärztezimmer, ein Zimmer für die Oberschwester und die Bereitschaftswohnung gelegen. Auf dem Plan hieß diese noch »Wohnung der Oberschwester«.
Vor ihrem inneren Auge sah Irene, wie Hilding Löwander vorsichtig die Tür des Bereitschaftszimmers der Ärzte öffnete, sich vergewisserte, dass die Luft rein war, und hastig in Teklas Wohnung schlüpfte.
Der Grundriss der Station war
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