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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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trug sie eine weiße Haube mit einem breiten schwarzen Band, dessen Kante gefältelt war. Der blendend weiße Kragen des Kleides wurde am Hals von der silbrig glänzenden Brosche zusammengehalten. Das Kleid hatte Puffärmel, deren engen Unterarme bis hin zu den Ellbogen mit Knöpfen versehen waren. Das Bruststück war abgesetzt und die enge, geknöpfte Taille nach unten bis zur Gürtellinie, die ebenfalls abgesetzt war, leicht gefältelt. Der Gürtel bestand aus demselben Stoff wie das Kleid. Die Rockpartie des Kleides hatte Falten und endete auf halber Wadenhöhe. Dazu trug Siv Persson schwarze Strümpfe und Schuhe. Über einen Arm hatte sie eine ordentlich gefaltete Schürze gelegt.
    »So war sie gekleidet«, stellte die Krankenschwester fest.
    Sie drehte sich langsam um sich selbst, damit die Polizisten die Uniform von allen Seiten bewundern konnten.
    »Sie war aushäusig«, fuhr sie ebenso sachlich fort.
    »Aushäusig?«, sagten die Polizisten wie aus einem Mund.
    »Ja. Aushäusig: Sie trug keine Schürze. Die sieht so aus.«
    Siv Persson faltete die knisternde, gestärkte Schürze auf, damit sie sie betrachten konnten. Sie war vergilbt, was darauf schließen ließ, dass sie seit langem nicht mehr getragen worden war.
    »Daheim trägt man immer Schürze«, fuhr sie ebenso sachlich fort.
    »Daheim?«
    »Wenn man auf der Station arbeitet, auf die man gehört. Da hat man die Schürze und keinen Gürtel.«
    »Und ohne Schürze mit Gürtel ist man aushäusig? Da arbeitet man nicht auf Station. Habe ich das richtig verstanden?«, fragte Irene.
    »Ja.«
    Tommy und Irene standen beide auf, um die Schwesterntracht genauer zu betrachten.
    »Das ist kein Schwarz. Das ist ganz dunkles Dunkelblau«, stellte Tommy fest.
    »Ja. Dunkelblauer Cheviot«, erklärte Siv Persson.
    »Aber war es nicht unpraktisch, in einem Wollkleid zu arbeiten? Schwer zu waschen und außerdem warm …«
    Schwester Siv unterbrach Irenes Überlegungen durch ein lautes Lachen.
    »Wir haben nicht in diesem Kleid gearbeitet! Das ist das Festkleid. Die normale Uniform ist aus heller, graublauer Baumwolle. Die hat weder Puffärmel noch unzählige Knöpfe.«
    »Und genauso, wie Sie jetzt gekleidet sind, war diese Person in der Mordnacht gekleidet?«
    »Ja. Schwester Tekla war ebenfalls Sophiaschwester. Seit Beginn des Jahrhunderts hatte es Tradition, dass die Schwestern der Löwander-Klinik im Sophiahemmet ausgebildet wurden.«
    »Aber liegt das nicht in Stockholm?«
    »Doch. Aber man hielt es für etwas feiner, Sophiaschwester zu sein. Viele Mädchen aus Göteborg und Umgebung ließen sich im Sophiahemmet ausbilden. Wie ich. Ein Teil von ihnen wollte dann zurück nach Göteborg. Die Löwander-Klinik hat sie gerne angestellt. Damals war es noch was, in der Löwander-Klinik zu arbeiten. Die Mutter von Dr. Löwander war übrigens auch Sophiaschwester.«
    »Die Mutter von Dr. Sverker Löwander?«
    »Ja.«
    »Sind alle Schwestern der Löwander-Klinik immer noch Sophiaschwestern?«
    »Nein. Jetzt sind nur noch Ellen und ich übrig. Die meisten anderen sind hier in Göteborg auf die Schwesternschule gegangen. Margot war in Karlstad.«
    Irene holte tief Luft und versuchte so unbekümmert wie möglich zu klingen, als sie fragte:
    »Sie sind sich absolut sicher, dass Sie … Schwester Tekla in dieser Nacht gesehen haben?«
    Die Krankenschwester seufzte und ließ den Kopf hängen.
    »Ich weiß, dass das unglaublich klingt. Aber der Mond stand hell am Himmel. Es war fast taghell, als die Wolkendecke aufriss. Genau als ich ins Schwesternzimmer gehen wollte. Ich warf einen Blick durch die Glastüren. Deutlicher hätte ich sie nicht sehen können!«
    »Wie schaute sie aus? Haben Sie ihr Gesicht gesehen?«
    »Nein. Ich sah sie schräg von hinten. Aber sie war groß und … imposant. Sie hatte das Haar genau nach Vorschrift hoch gesteckt. Der Kragen soll vollständig zu sehen sein.«
    »Haben Sie die Haarfarbe gesehen?«
    »Blond. Der Mondschein spiegelte sich in den blonden Haaren. Sie sah genauso aus wie auf dem Bild, das ich Kommissar Andersson gezeigt habe.«
    »Aber sie war ›aushäusig‹. Keine Schürze.«
    »Genau.«
    Tommy hatte bisher geschwiegen, aber jetzt warf er eine Frage ein:
    »Wie war Schwester Tekla gekleidet, als sie erhängt auf dem Speicher gefunden wurde?«
    Siv Persson sah ihn missbilligend an.
    »Sie trug die Alltagsuniform.«
    »Mit Haube und Schürze?«
    »Ja.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Das hat mir Gertrud erzählt. Sie half, Tekla

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