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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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glücklich und befreit gewirkt wie nie zuvor. Vielleicht hatte sie ihn aus Dankbarkeit dafür geheiratet, wer wusste das schon.
    Kjell erzählte Linda die Geschichte, weil er prüfen wollte, ob sie sich auf zwei Dinge zugleich konzentrieren konnte. Sie lachte.
    Er konnte der Erkenntnis nicht länger ausweichen. Neben der Malerei war das Steuern von Fahrzeugen offenbar Lindas Berufung. Wenn es mit der Malerei doch nicht klappte, könnte sie also immer noch Panzerfahrerin werden. Sie war unverkrampft und konzentriert, hatte Zeit und Aufmerksamkeit für einige kürzere Dialoge mit ihm.
    »Fahr auf den Esslingeleden«, schlug er vor. »Chauffiere mich ein bisschen herum.«
    Sie fuhren schweigend eine halbe Stunde auf dem Stadtring und über wenig befahrene Straßen. Kjell hatte Gelegenheit, über Linda, das Auto und Carl Petersson nachzudenken.
    »Du kannst die Prüfung machen und dann das Auto benutzen«, sagte er abschließend. »Du fährst richtig gut. Ich war damals viel schlechter. Von wem hast du das?«
    »Na, von Barbro und Henning.«
    Kjell berichtete ihr vom Morgen in der Wohnung, schuf für sie ein sinnliches Bild von allen Eindrücken.
    »Kennst du einen John Osborne?«, fragte er am Ende.
    Erst schluckte sie nach dem langen, stummen Zuhören. »Den Schriftsteller oder den Maler?«
    Welchen Schriftsteller? »Den Maler.«
    »Der ist ganz berühmt in Amerika. In Europa noch nicht so.«
    »Er wohnt anscheinend in dem Haus. Ganz oben ist ein Atelier.«
    Linda verpasste eine Möglichkeit zum Linksabbiegen, weil sie ihm zuerst ausgiebig darlegen musste, was das Besondere an Osbornes Bildern war. Er verstand nicht viel davon, was sie über Perspektive erzählte, obwohl es in seinem Beruf ja auch genau darum ging. Er wunderte sich, dass er seine Arbeit als Ermittler noch nicht mit bildender Kunst in Verbindung gebracht hatte. Die Perspektive war doch das A und O, das predigte er Soft jeden Tag.
    »Dann schaust du eben einmal bei ihm vorbei«, schlug er vor.
    Natürlich würde sie das nie wagen.
    Er erkundigte sich nach Neuigkeiten in der Schule und in der Liebe, zwei Dinge, die nur Väter in einem Satz abhandeln konnten.
    Natürlich gab es keine Neuigkeiten.

7
    Ihre Stirn klebte an der eisigen Fensterscheibe. Draußen zogen die nachtschwarzen Felder Frankreichs vorbei. Im Glas spiegelten sich die gelbe Deckenleuchte und fünf leere Sitze. Der Fahrtwind drang durch die alte Fensterdichtung und ließ Wange und Schulter steif werden. Durch das abgewetzte Messinggitter am Boden quoll heiße Luft hinauf. Es roch nach Öl.
    Immer wieder bestürmten sie die Bilder der letzten Nacht. Sie versuchte, ihr Gedächtnis und ihre Gründe zurückzuholen. Doch was vorher da gewesen war, hatte die Nacht ausgelöscht.
    Er fehlte ihr so. An den Morgen, als sie zum ersten Mal neben ihm erwacht war, erinnerte sie sich am liebsten. Oder an ihre gemeinsamen Mittagspausen in der Bibliothek.
    Wie schnell Wut und Verzweiflung verrauschen können. Er tat ihr jetzt so leid.
     

8
    Mittwoch, 28. November
     
    Die Ermittlungsgruppe traf sich um sieben Uhr in ihrem Besprechungsraum. Henning brauchte wie jeden Morgen eine ganze Tasse Kaffee lang, um aus seinem Anorak zu kommen. Es war einer von den beigegrauen Blousonjacken, wie sie geschiedenen Männern jenseits der Vierzig anscheinend vom Arzt verschrieben wurden. Barbro hatte es wie jeden Morgen eilig gehabt. Sie frühstückte und schminkte sich grundsätzlich in der U-Bahn. Man sah ihr morgens also an, ob sie einen Sitzplatz bekommen hatte. Es lag nicht nur an der kleinen Emelie, dass ihr Morgen immer so durchorganisiert war. Sie gehörte auch zu den Menschen, bei denen zwischen dem Einsteigen ins Auto und dem Losfahren nicht mehr als zwei Sekunden verstrichen. Sie hatten am Abend vergessen, die Heizung im Besprechungsraum abzudrehen, und nun war die Luft trocken und stickig. Die Äpfel in der Schale auf dem Tisch rochen reif und süßlich. Barbro kochte eine Kanne grünen Tee, um die zehn Jahre zurückzugewinnen, derer sie sich zwischen ihrem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr selbst beraubt hatte. Erst ihre Schwangerschaft hatte ihrem verzweifelt ausschweifenden Leben ein Ende setzen können. Für die anderen gab es Kaffee. Die Besprechung begann mit Barbros Bericht über Peterssons Bankkonto. Jemand hatte in der Mordnacht zwischen drei und fünf Uhr bei mehreren Bankautomaten eine Summe von insgesamt einhunderttausend Kronen abgehoben und dazu Peterssons Kreditkarte benutzt. Die

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