Der zweite Tod
weiterbringen.«
»Gibt es denn keine persönlichen Dateien?«, fragte Kjell.
»Es könnte der Computer jedes beliebigen Altertumswissenschaftlers sein. Er enthält viele alte Texte, Latein, Griechisch, orientalische Sprachen. Die Datenbanken enthalten antike Kunstobjekte mit Bildern davon sowie Angaben über Maße und Standort. Das haben andere Leute dieses Berufs sicher auch.« Sie reichte ihm ein Blatt Papier. Es war der Ausdruck einer Datei. »Das ist die neueste.«
Kjell überflog den Text. Es war eine kunsthistorische Beschreibung eines ägyptischen Sarges. Das passte zwar zum Anlass, machte Kjell aber nicht schlauer. »Schreib einen Bericht darüber, und mach dich an die Arbeit mit dem Passwort.«
Sofi stützte den linken Ellenbogen auf die Tischplatte und legte ihr Kinn in die Hand.
»Hast du Bedenken?«, fragte er.
»Es wird nicht so einfach«, nuschelte sie durch die Hand.
»Aber das hast du doch schon als Teenager gemacht.«
»Das ist etwas ganz anderes. Da benutzt man Tricks, und die sind viel banaler, als du dir vorstellen kannst. Aber hier geht es ums Dechiffrieren. Ich bin ja keine Kryptographin.«
Das war eine erstaunliche Bemerkung, fand Kjell. Für jemanden, der sein ganzes Leben kryptographiert hat.
9
In der Pathologie in Solna arbeitete der Chefobduzent Hans Ekeblad auf Hochtouren. Es gab eine Reihe von anderen Todesfällen in Stockholm, die Kjell für dringender hielt. In Alby hatte jemand zwei Afrikaner auf offener Straße erstochen und ihnen Hakenkreuze in die Stirn geritzt. In Nacka hatte ein Betrunkener ein dreizehnjähriges Mädchen angefahren, das an einer Haltestelle nach dem Eistanztraining auf den Bus gewartet hatte, und es zwanzig Meter durch die Luft gewirbelt. Also trat die Gruppe von ihrem Privileg zurück, keine Wartezeiten hinnehmen zu müssen. Kjell machte sich darauf gefasst, dass es mehrere Tage dauern konnte.
Barbro und Henning waren noch dabei, die richtige Maria aufzuspüren. Viktoria und ihre Kollegen zogen mit dem Phantombild durch die Västmannagatan. Kjell war sich sicher, dass Maria der Schlüssel zu Peterssons Tod war. Die Suche nach Sahlin hatten Kollegen von der Zielfahndung übernommen. Er wurde international gesucht.
Auf dem Rückweg hielt Kjell bei Wesséns Antiquariat, das nur fünf Gehminuten von Peterssons Wohnung entfernt lag. Er bestellte und kaufte alle seine Bücher bei Hermann Wessén.
An der Innenseite der verglasten Holztür hingen Leinen, an denen Bücher an Wäscheklammern baumelten. Wessén war alt, bestimmt bald siebzig. Wie immer trug er ein weißes Hemd mit feinen grauen Streifen, darüber einen ärmellosen weinroten Pulli. Kjell kannte ihn seit seiner Studentenzeit vor zwanzig Jahren. Seine Brille mit goldener Fassung hatte all die Jahre durchgehalten, jedenfalls glaubte Wessén das, und alle fünf Jahre hatte die Fassung neue Gläser bekommen, jedes Mal dickere. Inzwischen vermied Kjell aus Angst vor Schwindelanfällen jeden Augenkontakt.
Wie bei jedem Besuch tranken sie im Hinterzimmer Kaffee. Wessén bot ihm eine Ausgabe von Appians Römischer Geschichte an, die er in London gefunden hatte. Kjell kaufte das Buch und fragte Wessén, ob er einen Kunden namens Carl Petersson habe. Wessén kannte seine guten Kunden in der Regel beim Namen, aber dieser Name war ihm nicht bekannt. Das wunderte Kjell. Wer ausgefallene wissenschaftliche Literatur suchte, kam doch hierher.
Es gab jedoch ein Buch von Petersson, das vor zwanzig Jahren erschienen war. Darin ging es um sumerische Verben. Es war Peterssons Dissertationsschrift. Kjell kaufte auch dieses Buch, obwohl der Inhalt veraltet war. Keine andere Disziplin der Wissenschaft mache so große Fortschritte wie die Erforschung der sumerischen Verbalbeugung, hieß es im Vorwort. Vielleicht hatte Petersson damals noch nicht so viel von Genetik und Halbleitertechnik gehört.
Seit zwei Jahren ging es mit Wessén bergab. Das Geschäft brachte nicht genug ein, dass er sich eine Aushilfe leisten konnte. Die Gebrechen des Mannes waren mittlerweile so stark, dass die Regale immer unsauberer sortiert waren und die Bücherstapel an allen freien Stellen schon bald die Decke erreichen oder vorher umkippen würden.
»Ich werde wohl bald aufgeben«, sagte Wessén.
Als Kjell ins Präsidium zurückkehrte, saß Soft mit einem jungen Mann im Besprechungsraum.
»Jan Nyberg aus Uppsala«, stellte sie ihn vor. »Ich habe im Mittelmeermuseum angerufen und hatte Glück, dass Jan dort gerade im Archiv
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