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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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arbeitet. Er war so nett, gleich herzukommen.«
    Die Männer begrüßten sich. Jan Nyberg war im Museum für die Papyri zuständig und hatte die Hieroglyphen in kurzer Zeit lateinischen Buchstaben zuordnen können. Das Gitter, in dem das Passwort steckte, lag nun in lateinischer Umschrift vor. Das Ergebnis sah aber leider noch immer nicht nach Sprache aus.
    »Einige Zeichen sind sich sehr ähnlich und schwer voneinander zu unterscheiden«, erklärte Nyberg. »In einem Text ist das kein Problem, da kann man das aus dem Zusammenhang klären. Die Hieroglyphenschrift ist ja sehr pragmatisch und redundant.«
    »Ergibt die Umschrift denn einen Sinn?«, wollte Kjell wissen.
    »Du meinst Wörter? Nein. Es sind nur Zeichen. Es ergibt jedenfalls kein Ägyptisch und auch keine andere Sprache, die ich kenne.«
    Sofi wirkte nicht entmutigt. »Die Zeichenidentifizierung ist wohl nur die erste Hürde. Aber nun wird es erst richtig kompliziert. Ich muss aus den fünfzig Reihen das Passwort bilden, das viel weniger Zeichen umfasst. Aber ich kann mit Buchstaben nicht rechnen.«
    »Und wenn die Buchstaben für Zahlenwerte stehen?«
    Sofi schüttelte vorsichtig den Kopf und blickte zu Nyberg. »Dann muss es eine künstliche Zuordnung zwischen Buchstaben und Zahl geben.«
    Auch Nyberg war dieser Meinung. »Die Ägypter haben jedenfalls Buchstaben nicht für Zahlenwerte benutzt wie die Griechen und Römer. Sie hatten dafür eigene Zeichen, die in dem Passwortgitter aber gar nicht vorkommen.«
    »Mir erscheint diese Idee auch deshalb unwahrscheinlich, weil hier so viele verschiedene Buchstaben benutzt werden«, sagte nun wieder Sofi. »Lägen dahinter Zahlen verborgen, käme man wohl mit viel weniger Zeichen aus.« Sie verstummte für eine Weile und sprach dann weiter. »Wenn es einen Algorithmus gibt, werde ich ihn finden«, versicherte sie. »Petersson musste ja in der Lage sein, auf den Zettel zu schauen und das Ganze in ein Passwort umzurechnen, das er dann eingeben konnte. Es kann also kein Algorithmus sein, der sehr viel Rechenleistung erfordert.«
    »Was bedeutet das?«, fragte Kjell.
    »Das Gitter kann nur eine Art Gedankenstütze sein. Ich werde geometrisch vorgehen, nicht algebraisch. Am Ende wird ein Muster stehen, eine Anordnung. Es gibt aber noch eine Auffälligkeit, zum Beispiel diese Zickzacklinie. Sie stellt eine Wasserlinie dar und steht im Ägyptischen für den Laut ›n‹, und wir haben diese Wasserlinie überall, wo sie im Gitter auftaucht, mit ›n‹ umgeschrieben. Es gibt aber noch andere Zeichen, wie diese beiden auseinandergestreckten Arme. Die Ägypter benutzten dieses Zeichen, um ein Wort zu verneinen. Es steht also für ›nicht‹ und wird ebenfalls mit ›n‹ umgeschrieben. Das bereitet mir mathematisch gesehen etwas Sorgen. Es kann eine absichtliche Verwirrung sein oder etwas anderes. Ich glaube, es stellt eine Null oder eine Leerstelle dar.«
     
    Es war noch früh, gerade mal drei Uhr. Kjell hatte John Osborne schon am Morgen besuchen wollen, war aber nicht dazu gekommen. Vielleicht würde er das noch vor dem Feierabend schaffen.
    In der Västmannagatan gab es zu dieser Tageszeit einige freie Parkplätze in der Nähe des Hauses. An der Haustür gab er den Türcode ein, aber die Tür sprang nicht auf. Er erinnerte sich, dass der Code inzwischen ausgewechselt worden sein musste. Wahrscheinlich war er wieder der Einzige, der den neuen noch nicht kannte. Auf dem Klingelbrett suchte er Osbomes Namen. Mit dem Zeigefinger ging er die beiden Spalten durch. Und erstarrte.
     
    Stark wie die Zeit ist auch die Liebe. Und lang! Sie wohnte im Erdgeschoss. Er klingelte. Eilige Schritte drangen durch die Tür.
    »Ich hab dich schon gesehen!« Ihre Stimme klang leise und atemlos. »Beim Einparken hab ich dich schon gesehen.«
    Sie sahen sich lange an. Kjell wagte keinen Schritt nach vorne. Sie stand aufgeregt da, wippte mit den Füßen und stieß sich dann nach vorne ab. Sie kroch in seine Arme, legte ihre um seinen Hals. Ihre Hand war warm, sie lag an seinem Ohr.
    Ida Florén roch gut.
     
    Der Flur ihrer Wohnung war dunkel und klein. Die Wohnung war nur halb so groß wie die von Carl Petersson. Zudem lag sie vom Treppenhaus aus in der anderen Hälfte des Gebäudes. In ihrer Wohnung war keine Entwicklung zu verzeichnen. Sie glich der Studentenwohnung, in der Ida vor zehn Jahren gelebt hatte, war jedoch um einiges größer.
    Ida selbst sah nicht zehn Jahre älter aus. Man würde sie auf Mitte zwanzig schätzen. Dass die

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