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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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FBI«, erklärte Kjell. »Wenn die Reichsmordkommission kommt, ist es immer besonders ernst.«
    Osborne nickte.
    Die Atmosphäre in dem Dachatelier glich der in Lindas Zimmer. So fühlte er sich nicht fremd. Osborne war für einen berühmten Maler erstaunlich zutraulich, ließ ihn ohne weitere Erklärungen ein und bot ihm einen Platz am Küchentisch an. Außer dem Atelier gab es nur die Küche und zwei weitere Zimmer. Durch die offene Tür sah man in einem der Zimmer ein ungemachtes Bett mit hellblauem Laken.
    Die lange Wand des Ateliers war über eine Höhe von zwei Metern auf ganzer Länge verglast. Die Fensterfront maß mindestens sieben Meter in der Breite und war wie die Dächer all der anderen Häuser in diesem architektonisch so monotonen Stadtteil leicht geneigt.
    »Schlechtes Licht.« Osborne deutete zur Fensterfront und verfolgte Kjells Blick. Er erzählte, dass hier jemand einige Jahre zuvor die Dachschräge durch eine Fensterfront ersetzt habe, um eine Kombination aus Wintergarten und Gewächshaus zu schaffen.
    Die Fassade des Hauses blickte nach Südwesten, also schien die Abendsonne ins Atelier. An der Decke verliefen mehrere Reihen mit Neonröhren. Dieses gnadenlose Licht fand man auch auf Osbornes Bildern. Kjell bedauerte nun ein wenig, dass Linda immer über ihre Malerei schwieg, es lag nicht in ihrer Natur, anderen damit in den Ohren zu liegen. In Osbornes Bildern entdeckte er eine gewisse Ähnlichkeit zu ihren Bildern, die er nicht in Worte fassen konnte. Dazu kannte er sich zu wenig aus. Die Gemeinsamkeit lag vor allem darin, dass es konkrete Bilder waren, meist Porträts. Kjell wusste so viel, dass der Unterschied zwischen konkret und abstrakt viel komplexer war, als er sich das als Malerinnenvater so vorstellte. Osborne und Linda unterschieden sich von anderen lebenden Künstlern darin, dass ihre Bilder sehr sorgfältig gearbeitet waren. Ihnen fehlte die handwerkliche Grobheit, die anderen Malern und Betrachtern zurzeit als Tugend galt. Bisher hatte er geglaubt, dass das bei Linda an ihrem Alter lag, nun aber sah er es mit anderen Augen. Barbro hatte ihm gestern ein Dossier mit Artikeln aus amerikanischen Zeitungen und Fachmagazinen zusammengestellt. Obwohl Osbornes Durchbruch Jahre zurücklag, galt er in der Kunstszene von New York seither offenbar als seiner Zeit voraus.
    Osborne bot Kjell Kaffee an, der bereits fertig war. Er hatte gerade beim Frühstück gesessen. Kjell schätzte den Mann auf Ende dreißig bis Anfang vierzig. Er wirkte ruhig, sein Gesicht hatte filigrane, aber nicht unmännliche Züge.
    Kjell erklärte ihm, dass die Polizei wegen des Mordes die Nachbarn befragen müsse, und das könne auch mehrmals nötig sein. Er erwähnte auch, was er von Ida wusste. So brauchte Osborne gar nicht erst abzustreiten, Petersson gekannt zu haben.
    »Ja, Ida«, seufzte Osborne. »She’s smart as hell.«
    Die Küche war nur eine Nische unter der Dachschräge und hatte keine Trennwand zum Atelier, sondern nur eine hüfthohe Theke. So konnte man von hier aus auf die Leinwände blicken. Darauf waren ausschließlich Frauen zu sehen.
    »Hast du Ida auch gemalt?«, fragte Kjell arglos.
    »Like that?«, fragte Osborne.
    »Like that« bedeutete in diesem Zusammenhang »nackt wie im Paradies«.
    »She would never agree!«
    Kjell atmete auf.
    »Ich habe Skizzen von ihr. Das war vor einem Monat. Ich habe sie unten besucht in der Nacht und sie beim Arbeiten gezeichnet.«
    Osborne stand auf und ging hinüber ins Atelier. Er kehrte mit einigen Bögen zurück und legte sie vor Kjell auf den Tisch. Kjell kam es so vor, als hätte er das schon einmal erlebt. Beim Betrachten der Skizzen ließ er sich seine Begeisterung nicht anmerken. Es erstaunte ihn, dass dieser Mann etwas an Ida erkannt hatte, von dem Kjell sicher gewesen war, dass nur er es je bemerkt hatte. Das war ganz schön ärgerlich.
    »I called them Nightly Scholarship.« Osborne fixierte ihn mit den Augen. »Sie hat ein Problem mit ihrem Körper.«
    Kjell schmunzelte. Osborne beobachtete Kjells Reaktion genau, deshalb wechselte Kjell rasch das Thema. »Warum bist du eigentlich in Schweden?«
    »Es gibt viele Gründe. Aber der eigentliche Vorteil ist, dass ich dann nicht in Manhattan bin.«
    »Wie gut kanntest du Carl Petersson?«
    Osborne runzelte die Stirn, als ob er das gar nicht so genau einschätzen könnte.
    »Eines Tages hat er geklingelt. Später kam er immer wieder mal vorbei und brachte Fotos mit, zu denen er meine Meinung hören wollte. Es

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