Der Zweite Tod
im Keller.«
Er dachte an die Schreibmaschine, die damals schon alt gewesen war, und lächelte. Und die Nachbarn, die nachts schlafen wollten, lä chelten bestimmt auch.
»Wie geht es dir?«, fragte er. »Bist du glücklich?«
Das war eine alte Neckerei, mit der er sie immer geärgert hatte.
»Ja und nein, Kjell. Das weißt du doch.«
Ihr Lächeln kam von sehr weit innen. Er versuchte, seinen Ein druck zu ei nem Komp li ment zu for mu lie ren, fand aber keines.
»Ich würde jetzt gerne rauchen«, gestand sie. »Stört dich das?«
Sie hin gegen hatte ein schönes Kompli ment gefunden. Erst jetzt sah er, wie aufgebracht sie war. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal geraucht hatte. Ida anscheinend auch nicht. Sie musste mehrere Schubladen aufziehen, bis sie Ziga ret ten fand.
»Ich würde eine mitrauchen«, sagte er.
Er wollte nichts lieber, als eine Zigarette zu rauchen.
Offenbar rauchte sie nur zu bestimmten Antässen. Sie war fahrig in ih ren Bewe gun gen. Zwischendurch er schien das kurze Grinsen, bei dem sie ihre Schneidezähne auf der Unt erl ippe abstellte. Dazu kniff sie auch kurz die Augen zusammen und zwinkerte ihm wie ein Lausbub zu. Früher hatte ihn diese Geste manchmal irritiert, denn sie kam so unvermittelt und brach das voran gegan gene Ge spräch ab wie ein Ten nisspie ler, der ein fach vom Platz geht, während der Ball durch die Luft fliegt.
Das Rauchen tat ihnen gut. Zwischen zwei Zügen legte sie den Kopf nach hinten und sah ihn amüsiert an.
»Wie geht es Linda?«, fragte sie.
»Du würdest sie mögen. Sie ist das Gegenteil von dir.«
»Ich wette, sie malt den ganzen Tag.«
»Es ist genau so, wie du damals geglaubt hast.«
Ida ging nach nebenan und kehrte mit mehreren Bögen Papier zurück. Es waren Lindas erste Bilder. Ida und Madel eine hielten sich darauf an der Hand und waren Freundinnen. Linda und ihre Freundin hatten sich auch immer an den Händen gehalten, ihre gemeinsame Liebe zu Monchichis war die Basis für eine neunwöchige Freundschaft gewesen. Da war es eine ganz und gar logische Folgerung, dass man sich auch an der Hand halten wollte, wenn man denselben Mann liebte.
Kjell forderte Ida auf, die letzten zehn Jahre zu erzählen. Er hatte in dieser Zeit ihr Leben in sei ner Vor stel lung weiter geführt und erwartete, dass sich beide Lebensläufe decken würden. Als sie sich damals trennten, war Ida kurz davor, ihr Studium abzuschließen. Er war sicher gewesen, dass ihr akademischer Stern danach unaufhaltsam aufsteigen würde. Er wunderte sich, dass sie noch in Stockholm war. Er hatte nie nach ihr Ausschau gehalten, nie überprüft, was sie tat. In akademischen Buchgeschäften hatte er bei Rega len, die nach Autoren na men sor tiert waren, schon bei Umberto Eco aufgehört, war mehrere Meter weit ausgeschritten und hatte erst bei »H« wie Hegel weitergemacht. Auch das »G« hatte er meist zur Sicherheit ausgelassen, so tief war seine Liebe gewesen. Deshalb hatte er Jan Guillou seit der IBAffäre und
Commander Hamilton
auch völlig aus den Augen verloren. Saß der eigentlich noch im Gefängnis? Bei dem in sei ner Vorstel lung fort geführ ten Lebenslaufhatte sich seit ei niger Zeit die Frage ergeben, ob sie bereits Professorin war.
Das war al les nicht ge sche hen. Ida war Aus hilfsver käu ferin in einer Fachbuchhandlung für Medizin, Rechtswissenschaft und Wirtschaft. Das waren, soweit er es beurteilen konnte, von allen Themen dieser Welt genau die drei, für die Ida sich nicht interessierte. Vier Tage die Woche. Freitags gab sie Nachhilfe, und manch mal schrieb sie für Stu denten Ab schluss arbeiten. Ida Floren bot Abschlussarbeiten in Mathematik, Physik und Phi losophie an.
Ida hatte all das, was er sich selbst über sie erzählt hatte, damals durchaus ins Auge gefasst. Dennoch war sie erstaunt, dass er das angenommen hatte. Er fand jetzt, dass seine Annahmen dumm ge we sen wa ren. Ei gent lich war die Wirk lich keit da mals schon klar gewesen. Ida musste gar nicht mehr ausbreiten, wie ihr Leben aussah. Es spielte sich in der Nacht ab, hier an diesem Tisch. Was sie dort las und schrieb, verstand er sowieso nicht.
Es war bestimmt nicht erfüllend für Ida, erwachsenen Menschen bei der Auswahl des richtigen Sonder an hangs zum Prozessrecht zur Seite zu stehen, aber die Tätigkeit ließ ihr viel Zeit, um hier an ihrem Tisch zu sitzen. Ein Notebook war seit damals da zu gekommen und hatte die Schreibmaschine ersetzt.
Mit Männern hatte sie auch in den
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