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Der Zweite Tod

Titel: Der Zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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vergangenen zehn Jahren kein Glück gehabt. Er konnte sich getrost dazuzählen, aber Idas Verhalten ließ ihn vorsichtig glauben, dass sie das anders sah. Altes, was Ida zu verbuchen hatte, waren kurze Affären, die sich im besten Fall über eine Reihe von gemeinsamen Nächten er streck ten.
    Sie deutete mit dem Zeigefinger zur Decke. »Oben ist jemand er mordet worden, oder?«
    Er nickte und fragte sie, ob sie Petersson gekannt habe. Sie verneinte, aber sie habe ihn einmal oben bei John Osborne getroffen. »Er hat ganz oben sein Atelier. Er ist Amerikaner und mit ei ner Schwedin zu sam men. Er pendelt im mer zwischen New York und Stockholm.«
    »Ist er erfolgreich?«
    »Ja, sehr sogar. Frag doch Linda. Er braucht Stockholm zum Malen, behauptet er. Er arbeitet wie ich in der Nacht. Manchmal gehe ich hinauf, oder er kommt herunter. Wir trinken einen Kaffee zusammen und reden ein bisschen. Dann geht jeder wieder an die Arbeit. Einmal war ich am Abend so gegen zehn Uhr oben, um ein Buch zurückzugeben. Und Petersson saß bei ihm. Sie haben Whisky getrunken. Das muss so vor drei Wochen gewesen sein. Er sprach ausgezeichnet Englisch.«
    »Weißt du etwas von Petersson?«
    »Er sah mondän aus.«
    »Er war Wissenschaftter.«
    »Hat John auch erzählt. Sie haben über Kunst gesprochen.«
    »Soweit ich das bisher sehen kann, hat er sich am Diskos von Phaistos versucht.«
    »Bist du jetzt bei euch für die Diskos-Morde zuständig?«
    Sie lachten. Er fand es gut, dass sie erst einmal über etwas Unverfängliches sprechen und sich aneinander gewöhnen konnten. Ida stand abrupt auf und ging wieder in den Flur. Er konnte sehen, wie sie gezielt ein Buch aus dem Regal zog.
    »Nimm’s dir mit, das ist am besten.«
    Er überflog den Klappentext. Das Buch fasste die Entzifferungs versu che der letz ten fünfzehn Jahre zusam men und enthielt Tabelten mit den 45 Zeichen, die in der Inschrift vorkamen. Er überflog die Einleitung. Es gab so viele Theorien wie For scher, die esote rischen Erklä rungs ver su che noch gar nicht mitgerechnet. Hatte man früher noch wie beim Mykenischen an eine Silbenschrift geglaubt, so gingen neuere Versuche oft von einer komplexen Bildschrift aus.
    Kjell erinnerte sich an seine erste und letzte Reise nach Ägypten vor langer Zeit. Bei der Besichtigung des Tempels von Edfu war einer siebzigjährigen Hegelianerin aus Berlin aufgefallen, wie häufig eine Eule in den Inschriften auftauchte, diese Hieroglyphe stehe sicherl ich für Geist und Weisheit, denn genau davon hatten die Ägypter ja bekanntlich ebenso viel besessen wie die Inschriften Eulen-Hieroglyphen. Der ägyptische Führer lauschte den Worten der Frau genauso, wie die Spartaner ausländischen Gesandten zugehört hatten. Am Ende sagte der Führer: »M.« Und so hatte es auch gestern der Ägyptologe gemacht. Überall, wo die Eule im Passwortgitter auftauchte, hatte er sie mit »m« transkribiert, denn die Eule stand im Ägyptischen für den Laut »m«.
    »Aber hat man das bei den ägyptischen Hieroglyphen nicht auch ge dacht?«, kom mentierte Kjell Idas Zusammen fas sung. Man hatte den Stein von Rosetta, der eine ägyptische Inschrift mitsamt ei ner grie chischen Überset zung ent hielt, schon lange gekannt. Dennoch war nach vielen Versuchen nur Champollion auf die Idee gekom men, ein mal Hie ro gly phen und griechi sche Wör ter abzu zäh len. Dabei hatte er eine enorme Dis krepanz bemerkt. Die Hieroglyphen konnten keine reine Bilderschrift sein, dazu hätte die griechische Übersetzung um ein Vielfaches länger sein müssen. Erst nach dieser Erkenntnis war es rasant vorangegangen.
    Ida zuckte mit den Schultern. »Ich habe gehört, dass Madeleine ge storben ist.«
    Er nickte.
    »Ich wollte dich nicht kränken«, setzte er unsicher an. »Indem ich mich nach ihrem Tod bei dir melde. Ich habe wirklich lange überlegt und hätte mir nichts lieber gewünscht. Das weißt du ja.«
    Ihr Lächeln sah ein bisschen leidend aus. Woher sollte sie das auch wissen? Fasste er jetzt in ihr silberblondes Haar, würde es sich weich und seidig anfühlen.
    »Du bist ein bisschen blass«, sagte er.
    »Mir geht es seit einigen Tagen nicht so gut«, antwortete sie.
    Er erkundigte sich nach dem Grund. Sie zögerte erst, stand dann aber auf und verließ erneut das Zimmer. Mit einem Blatt Papier kehrte sie zurück. Es war der Ausdruck einer E-Mail. Sie stammte von einem Patrik Nygren. Der Name sagte ihm nichts.
    »Hallo Ida! Muss unbedingt mit dir reden. Ich bin nächste

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