Der zweite Weltkrieg
den besetzten Ostgebieten konnte es überraschen, dass die Ghettoisierung, das Zusammenpferchen zu vieler und in jeder Hinsicht unterversorgter Menschen auf knappstem Raum, zahlreiche Probleme hervorrief: Bewusst herbeigeführte Sachzwänge, welche die Verantwortlichen später zitierten, um immer drängender radikalste,selbst mörderische Lösungen zu verlangen. Als sodann Japans Überfall auf Pearl Harbor (7.12.41) zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten führte, fasste Goebbels die daraus zu ziehende Konsequenz am 13. Dezember 1941 in seinem Tagebuch lakonisch zusammen: „Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muß die notwendige Folge sein.“ Der Rückgriff auf die Prophezeiung des „Führers“ vom Januar 1939 ist offenkundig.
Hitlers Entscheidung für den Mord an den Juden entsprach seinem rassenpolitischen Kriegsziel. Zugleich genügte sie den erwähnten, so genannten Sachzwängen. Ausschlaggebend bei der Entschlussfassung dürfte jedoch die programmatische Zielsetzung gewesen sein. Denn es ist nicht anzunehmen, dass äußerer Zwang – ohne Hitlers ideologische Fixierung – zum Völkermord geführt hätte. Umgekehrt ist das durchaus vorstellbar. Der Vollzug des Genozids blieb der Öffentlichkeit nicht völlig verborgen. Es gab Gerüchte und konkrete Informationen. Im Übrigen mussten die Volksgenossen bloß lesen, was Goebbels dazu etwa am 16. November 1941 in der NS-Wochenzeitung „Das Reich“ schrieb, und genau zuhören, wenn Hitler beziehungsweise Himmler sprach. Wer sich zu informieren versuchte, der konnte zumindest erahnen, was geschah. Und 1942 wusste die Staatenwelt samt Vatikan über den Massenmord an den Juden Bescheid. Dass letzte Details unbekannt blieben, vermag nicht zu vermitteln, warum so gut wie nichts geschah. Hierzu gibt es Erklärungen, nur bisher keine, die befriedigen könnte.
Wie die Ausrottung der europäischen Juden, die zu mehr als sechs Millionen verhungerten, erschlagenen, totgearbeiteten, erschossenen sowie vergasten Menschen führte, gehörte der Völkermord an den „Zigeunern“ zu den rassenpolitischen Zielen der Nazis. Im Frieden schikaniert und terrorisiert, erfolgte seit Mai 1940 ihre Deportation in besetzte polnische Gebiete. Dort ermordete man Sinti und Roma ab 1943 an verschiedenen Orten durch Gas sowie Massenexekutionen. Die Zahl der Opfer ist umstritten, sie wird meist mit über 200.000 angegeben.
Bleibt die Frage, welche Rolle die Wehrmacht als Organisation bei alldem spielte. Die Antwort fällt nicht schwer. Bekanntermaßen erfuhr ihre Führung von Hitler (26.5.44) und Himmler (25.1.44) persönlich, was mit den Juden passierte. Zudem kooperierte sie seit Kriegsbeginn bei den im Osten an Juden verübten Massakern mit den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD. Auf dem Balkan nahm das Heer der SS sogar teilweise die Arbeit ab. Höchste Offiziere verlangten von ihren Untergebenen Verständnis für das den so genannten jüdischen Untermenschen zugefügte Leid. Und die Vernichtungslager, das läßt sich schwerlich ignorieren, arbeiteten hinter dem Schutzschild des Ostheers. Das Fazit – ohne Duldung, auch Gutheißen des Genozids durch die, im weiteren Sinn des Worts verstanden, Wehrmachtführung wäre der Völkermord nicht möglich gewesen.
3. Weltpolitische Entscheidungen
im zweiten Halbjahr 1941
Im Sommer 1941 scheint Hitler alles für machbar gehalten zu haben. Mitte Juli sprach er – überzeugt, dass der Ostfeldzug bereits gewonnen sei – gegenüber Tokyos Botschafter Oshima absichtsvoll von einem globalen antiamerikanischen Offensivbündnis. Nach „Barbarossa“ könnten und sollten Deutschland und Japan gemeinsam die Vereinigten Staaten „vernichten“.
Das Hirngespinst eines Weltblitzkriegs mag Hitler kurzzeitig fasziniert haben. Als geschichtsträchtiger erwies sich die Tatsache, dass sich nach dem Angriff auf die Sowjetunion eine informelle „Anti-Hitler-Koalition“ anbahnte. Eine
Grand Alliance
zwischen London, Moskau und Washington, die über ein ungeheures Wirtschaftspotential und 75 % der personellen sowie materiellen Reserven der Erde verfügte. Zu Beginn der neuen strategischen Frontbildung übernahmen amerikanische Truppen am 7. Juli britische Stützpunkte auf Island. Praktisch wurden die von Berlin zum uneingeschränkten Operationsgebiet erklärten Gewässer um die Insel damit in eine von PräsidentRoosevelt definierte Sicherheitszone einbezogen. Ferner erhielt die
US Navy
, nach dem Angriff eines
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