Der Zweite Weltkrieg
zurückgenommen werden. Nur im Abschnitt der Heeresgruppe Mitte (Busch) beulte sich ein großer Bogen („Frontbalkon“) nach Osten vor, dessen Verkürzung Kraftgewinn bedeutet hätte. Doch Hitler verweigerte die Genehmigung und erklärte stattdessen die größeren rückwärtigen Städte Bobruisk, Mogilew, Orscha und Witebsk zu „Festen Plätzen“, die bei einem sowjetischen Angriff die „rote Flut“ brechen sollten. Generalfeldmarschall Busch verfügte über 40 Divisionen, darunter als Eingreifreserve eine einzige Panzerdivision. Den dritten Jahrestag des deutschen Angriffs (22.6. 1944) bestimmte Stalin nun zum Beginn der Großoffensive im Mittelabschnitt mit 126 Schützen- und 6 Kavalleriedivisionen, 45 Panzer- und 16 motorisierten Brigaden, unterstützt von rund 4500 Schlacht-, Bomben- und Jagdflugzeugen (auf deutscher Seite 829 Maschinen).
Warschauer Aufstand
Als die Rote Armee tief nach Polen vordrang, sah die Führung der polnischen Heimatarmee (Armia Krajówa) unter General Bór-Komorowski die Chance, die deutsche Herrschaft abzuschütteln und so einen eigenen Beitrag zur Befreiung zu leisten. Der in der Hauptstadt losbrechende Aufstand konnte sich jedoch zunächst nur auf 14 000, später 36 000 völlig unzureichend bewaffnete Kämpfer stützen, die seit dem 1.8.1944 die deutsche 9. Armee und die Polizei- und SS-Kräfte unter General Bach-Zelewski zu vertreiben suchten. Sie erlitten in langen erbitterten Kämpfen schwere Niederlagen und mussten am 2.10. kapitulieren, obwohl seit 14.9. die sowjetischen Truppen die Weichsel und die Vorstadt Praga erreicht hatten. Warschau wurde auf Befehl Hitlers weitgehend zerstört. Die Aufständischen verloren 16 000 Gefallene, 6000 wurden verwundet; auf deutscher Seite kamen 2000 Mann ums Leben, 9000 wurden verwundet, 166 000 Zivilisten sollen Opfer der Kämpfe geworden sein, 70 000 Polen wurden zur Zwangsarbeit in KZ verschleppt. Damit hatte die Wehrmacht Stalins Geschäft besorgt, der nach der Ausschaltung der bürgerlichen Kräfte Warschau erobern ließ und anschließend eine kommunistische provisorische Regierung etablierte
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Doppelkatastrophe
Am heißen 22. Juni brach über der dünnen deutschen Front ein Inferno los. Tausende von Flugzeugen zerbombten die deutschen Artillerie-Stellungen. Tausende von Geschützen und Stalinorgeln eröffneten das Feuer. Die deutschen Linien bröckelten rasch. Busch und sein Chef des Stabes Generalleutnant Krebs forderten die Freigabe der „Festen Plätze“, damit sie flexibler umgruppieren könnten. Das Führerhauptquartier verbot das kategorisch und erreichte damit eine Doppelkatastrophe: Die deutsche Infanterie konnte nicht verstärkt werden und daher nirgends standhalten. Und die „Festen Plätze“ gingen ebenso verloren. Hitler wusste wiederum nur einen Rat: Personalwechsel an der Spitze. Generalfeldmarschall Model, der schon die Heeresgruppe Nordukraine kommandierte, ersetzte Busch. Immerhin erhielt Model die Freiheit, von seiner bisherigen Heeresgruppe Verstärkungen heranzuführen.
Über 28 deutsche Divisionen der 4. Armee aber waren nicht mehr zu retten, sie waren entweder bereits aufgerieben oder ergaben sich am 8.7. im Kessel südöstlich von Minsk; die Heeresgruppe Mitte hatte aufgehört zu existieren. Und auch die Heeresgruppe Nordukraine geriet jetzt in akute Gefahr, da sie von den Abgaben an den Mittelabschnitt geschwächt war, als sie am 13.7. eine zweite sowjetische Großoffensive traf, die den Gegner bis tief nach Galizien hinein führte; ganz Ostpolen war in sowjetischer Hand.
Sowjetische Infanterie beim Angriff unter dem Feuerschutz von Panzern und Artillerie. Die Rote Armee hatte sich von den Verlusten und vom Schock des ersten Kriegjahrs erholt und trieb die deutschen Armeen fast nach Belieben vor sich her
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(c) dpa/picture alliance
Verhängnisvolle Doppelrolle
Stauffenbergs Attentat auf Hitler (20. Juli 1944)
Am 20.7.1944 um 12.42 Uhr explodierte im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in Rastenburg (Ostpreußen) eine für Hitler bestimmte Bombe. Seit der Sudetenkrise 1938 trugen sich deutsche Offiziere mit dem Gedanken, ihren Obersten Kriegsherrn auszuschalten. Aber erst seit Herbst 1943 kamen unter Claus Graf Schenk von Stauffenberg (seit 1.7.1944 Oberst und Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres) Vorbereitungen höherer Militärs, Politiker, Gewerkschaftler und Diplomaten zum Staatsstreich (Unternehmen „Walküre“) in Gang. Unmittelbares Ziel der Verschwörer: Beseitigung Hitlers,
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