Der Zweite Weltkrieg
allem bei Calais. Dort ließ sich beim Ernstfall allerdings kein alliierter Soldat blicken. Doch auch in der Normandie hatten die Alliierten allerhand Hindernisse zu überwinden, die vor allem kurz zuvor auf Initiative von Rommel, seit Ende 1943 Inspekteur der Küstenverteidigung, errichtet worden waren. Gegen Luftlandungen ließ er baumlange Stangen („Rommelspargel“) in den Boden rammen, am Strand Eisenigel und Auflaufblöcke verlegen, im Küstenwasser verminte Vorstrandhindernisse verankern. Seine Sorge, eine Invasion sei allenfalls in den ersten 48 Stunden zurückzuschlagen oder gar nicht mehr, erwies sich als nur zu berechtigt
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Erhebliche Verzögerungen
Als unfreiwilliger Verbündeter der Alliierten erwies sich Hitler, der lange die Zuführung von Verstärkungen verweigerte, weil er weiter an eine „Hauptlandung“ bei Calais glaubte. Nach Plan sollte Cherbourg mit dem wichtigen Hafen noch am ersten Tag der Invasion genommen werden; das gelang jedoch erst drei Wochen später. Der Durchbruch ins französische Hinterland war für den 27.6. vorgesehen, glückte aber erst am 1.8. Bis dahin hatte die Schlacht auf deutscher Seite 114 000 Gefallene und 41 000 Gefangene gekostet, die Alliierten hatten 122 000 Mann verloren.
Dass Hitlers Zeit ablief, demonstrierten die Westalliierten schon am ersten Tag ihrer Landung in der Normandie (6.6.1944): Der schier unerschöpflichen Materialflut, die sich in die Landeköpfe ergoss, hatte die Wehrmacht auf Dauer nichts entgegenzusetzen
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(c) dpa/picture alliance
In der Kirche verbrannt
Massaker in Oradour-sur-Glane (10.6.1944)
Die Ruinen stehen noch heute: Gut zwanzig Kilometer nordwestlich von Limoges liegt die Ortschaft Oradour-sur-Glane. Das bis dahin vom Krieg kaum berührte Oradour wurde am 10.6.1944 gegen 14 Uhr von der 3. Kompanie des I. Bataillons des Regiments „Der Führer“ der 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“ besetzt, die schon in Tulle (siehe Kasten) Furcht und Schrecken verbreitet hatte. Die Einwohner des Ortes wurden angeblich zur Feststellung der Personalien zusammengetrieben, die Männer von den Frauen und Kindern getrennt. Während einige SS-Leute die Männer in Scheunen und Häusern erschossen, schlossen andere die etwa 500 Frauen und Kinder in der Kirche ein, zündeten das Gebäude an und feuerten auf jeden, der zu fliehen versuchte. Anschließend zogen die Soldaten plündernd durch Oradour, legten an allen Häusern Feuer und vergließen den Ort gegen Abend. 642 Menschen, von denen sich nur noch 52 identifizieren ließen, waren ihnen zum Opfer gefallen, nur 36 hatten entkommen können.
Auslieferung verweigert
Offiziell wurde das Massaker von deutscher Seite als Maßnahme gegen angebliche Widerstandsnester der Résistance und als Repressalie für „heimtückische“ Partisanenangriffe auf die an die Invasionsfront marschierende Division ausgegeben. Hitler verhinderte eine gerichtliche Verfolgung, die auch durch den schnellen alliierten Vormarsch und den Untergang der 3. Kompanie in der Normandie zunächst kaum möglich war. Auch nach dem Krieg fand man nur einige der Verantwortlichen: Der Chef des Verbindungsstabs in Limoges, General von Borodowsky, wurde von der französischen 1. Armee festgenommen und bei einem Fluchtversuch erschossen; die Briten verweigerten die Auslieferung des Divisions-Kommandeurs, SS-General Lammerding.
Tulle
Am 9.5.1944 wurden in der Ortschaft Tulle im Tal der Corrèze 99 französische Zivilisten (Männer und Frauen) ermordet. Die Opfer wurden zur Vergeltung für einen Partisanenüberfall auf die im Ort stationierte deutsche Einheit von Angehörigen der 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“ im Rahmen des Unternehmens „Blut und Asche“ an Balkonen und Laternen erhängt. Die Leichen warf man anschließend in ein Massengrab an der Straße nach Brive. Nach dem Krieg mussten sie deutsche Kriegsgefangene auf den Friedhof von Tulle umbetten. Der ehemalige SS-Standartenführer und Generalmajor der Polizei Heinz Lammerding, zur Tatzeit Kommandeur der Division, wurde am 4.7.1951 vom Militärgericht Bordeaux in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Ein in der Bundesrepublik eingeleitetes Verfahren gegen Lammerding musste wegen der Sperrwirkung des französischen Urteils gemäß Überleitungsvertrag vom 5.5.1955 eingestellt werden. Lammerding verstarb am 13.1.1961
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21 ehemalige Angehörige der SS-Einheit mussten sich 1953 vor einem Militärtribunal in Bordeaux nach einer eigens erlassenen Lex Oradour, die bereits die
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