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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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Und zwar sofort.
    Ein Glas Wasser.
    Frische Windeln.
    Trost.
    Bei mir ist es die mechanische Reinigung meiner Zähnchen. Beißerchen, sagt Schwester Cornelia immer, Schwester Terese sagt Hauer. Sind übrigens alle noch echt, die Hauer. Ziemlich abgekaut, das ja, und der Raucherbelag kann sich sehen lassen, der spielt in meinem Mund alle Farben von Bräunlichgelb bis Tiefschwarz, und das ist nicht besonders ansehnlich, keine Frage, aber es ist echt. Null Ahnung, wie ich das geschafft habe, Zahnpflege war noch nie mein Ding, aber jetzt ist es das. Voll mein Ding, und ich will es, jede Nacht. Und warum?
    Genau davon, liebe Schwester Olga, haben Sie keine Ahnung.
    Schwester Cornelia: keine Ahnung.
    Schwester Terese: keine Ahnung.
    Die Hände mit dem gespannten Faden bewegen sich langsam auf meinen geöffneten Mund zu, ich starre auf die blutrote Digitalanzeige, 03 : 14 , wie gehabt, wenn das so weitergeht, dann schaffe ich mein Pensum nicht.
    Hundertachtzig Minuten sind das Minimum. Hundertachtzig Pflegeminuten in einem Zeitraum von vierundzwanzig Stunden – mein Pensum.
    Sie haben jetzt wahrscheinlich keine Ahnung, wovon ich rede, obwohl Sie nicht Schwester Olga sind, aber das macht nichts.
    Macht gar nichts.
    Wird schon.
    Für den Augenblick nur so viel: Lassen Sie sich von einer alten Frau wie mir gesagt sein, dass jede Minute im Leben kostbar ist. Nehmen Sie diese bescheidene Weisheit einer alten Frau mit Demut an, so wie man ein gnadenvolles Geschenk annimmt, und bewahren Sie es in Ihrem Herzen auf, wie man einen Diamanten aufbewahrt im samtenen Futteral.
    Und hier noch einmal zum Mitschreiben:
    Jede Minute ist kostbar.
    Jede Minute ist eine Perle.
    Die Zeit ist eine Auster.
    Das habe ich übrigens auch erst in den letzten Tagen kapiert. In den letzten acht Tagen, um genau zu sein. Das Alter macht nicht unbedingt weise, das Altenheim schon.
    Schwester Olgas Hände wabern auf mich zu wie Nebelfetzen. »Sehr schön«, murmelt sie, »immer schön offen halten.«
    Ich halte schön offen, die Nebelfetzen verdichten sich und werden zur Nebelwand, ich schiebe den Kopf ein kleines Stück nach rechts und schiele auf die Uhr.
    Klack!, denke ich. Mach klack, du verdammtes Miststück!
    Â»Was?«
    Schwester Olgas Hände, die mir gerade den Faden zwischen die Hauer schieben wollten, ziehen sich ein paar Zentimeter zurück. Wie es aussieht, habe ich gerade laut gedacht, und weil mir auf »Was?« gerade nichts einfällt, denke ich einfach dasselbe noch einmal.
    Â»Klack!«, denke ich laut. Es klingt wie »Gnack!«.
    Â»Was?«
    Â»Mach klack, du Miststück!«, denke ich laut. Es klingt wie »Ach gnack, da Hästck!«.
    Â»Was?!«
    Â»Nichts«, sage ich. »Ncht.«
    Schwester Olga seufzt und lässt die Hände sinken.
    Â»Frau Block, auf Zimmer drei wartet Frau Sonne auf mich, auf Zimmer fünf Frau Kropp, und wie ich Ihre Freundin Frau Könick kenne, wird sie auch gleich klingeln, und das heißt nicht, dass ich nicht gerne bei Ihnen bin. Es heißt nicht, dass ich mich nicht gerne um Sie kümmere, mitten in der Nacht, schließlich ist das mein Beruf. Aber bitte, bitte machen Sie den Mund zu, wenn Sie mir etwas sagen wollen.«
    Klare Ansage.
    Ich mache den Mund zu und sage »Nichts«, es klingt wie »Nhmm«.
    Klack.
    Schwester Olgas Oberkörper sinkt in sich zusammen, der Kopf sinkt mit. Ich ziehe meine Blicke von dem digitalen Miststück an der Wand ab, das endlich auf 15 gesprungen ist, und betrachte Schwester Olgas Scheitel. Grauer Ansatz, zwei Zentimeter, der Rest ist blond gefärbt. Schwester Olga ist nicht älter als dreißig, darauf wette ich meine farbenfrohen alten Beißerchen.
    Wenn du schon mit dreißig grau wirst, dann liegt das entweder in der Familie oder daran, dass du einen Schicksalsschlag erlitten hast. Zack, über Nacht ergraut, kennt man ja, liest man immer wieder, und so hast du dir das auch immer vorgestellt, wenn du dir einen Schicksalsschlag vorgestellt hast: Abends legst du dich blond oder brünett ins Bett, und am nächsten Morgen wachst du auf und bist grau, weil dein, sagen wir, drei Wochen altes Baby über Nacht am plötzlichen Kindstod gestorben ist.
    Kindsvater: Autounfall.
    Taufpate: Blitzschlag.
    Alles in einer Nacht. Kommt vor, keine Frage, so ist das manchmal, aber meistens ist es ganz anders. Meistens kommt das Schicksal nicht über Nacht, sondern auf

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