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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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gezeigt. »Wie heißen Ihre Kinder, die süßen kleinen Rabauken?«
    Und da hat Schwester Olga verstanden und matt gelächelt.
    Â»Keine Kinder. Keine Katzen«, hat sie gesagt, und da habe ich verstanden.
    Frau Kropp, das Biest.
    Frau Fitz, der Fratz.
    Schwester Cornelias Hände sind auch ein bisschen zerkratzt, aber nur ein bisschen, nur so, als hätte sie einen pflegeintensiven Garten mit Rosensträuchern. Keine Bissspuren. Schwester Cornelia ist eine sehr imposante Frau. Arme wie ein Kampfringer, kerniges Ego, da trauen sich die Biester nicht so ran. Der junge Hilfspfleger trägt immer medizinische Handschuhe, diese widerlichen Teile aus Latex, unter denen deine Hände schwitzen und schimmeln wie reifer Käse. Das machen nur Anfänger, hat mir Schwester Cornelia erklärt, und nur in den ersten Wochen. Nur so lange, bis sie kapieren, dass ein paar Kratzer besser sind als ganze Pilzkolonien.
    Schwester Tereses Hände sind makellos. Fragen Sie nicht, warum. Sie wollen das gar nicht wissen, glauben Sie mir.
    Klack. 03 : 17 .
    Schon erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man einfach nur dasitzt und andächtig dem stummen Elend eines anderen lauscht. Wenn man gerade eine ganz neue Erfahrung macht. Hoffentlich dauert das noch ein paar Minuten, jede Minute ist kostbar, und ich muss ja keinem erzählen, warum die staatlich geprüfte Pflegefachkraft Schwester Olga heute Nacht nicht fünf, sondern zehn Minuten für die gründliche Reinigung meiner Zahnzwischenräume gebraucht hat. Schwester Olga wird es auch keinem erzählen, da bin ich mir sicher. Sie wird schweigend ihren Pflegebericht schreiben, wie immer nach der Schicht, und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie etwas anderes schreibt als:
    03 : 05 : Fr. Block klingelt und wünscht Mundhygiene. 03 : 14 – 03 : 24 : Mundhygiene durchgeführt. Zeitaufwand: 10 Min.
    Etwas anderes, zum Beispiel:
    03 : 05 : Fr. Block klingelt und wünscht Mundhygiene. 03 : 14 – 03 : 15 Mundhygiene begonnen. 03 : 15 – 03 : 19 : Mundhygiene unterbrochen, da Pflegefachkraft von stummem Elend überwältigt. 03 : 19 – 03 : 24 : Mundhygiene zu Ende geführt. Zeitaufwand abzügl. Elend: 5 Min.
    Ziemlich unwahrscheinlich.
    Leider auch ziemlich unwahrscheinlich, dass Schwester Olga es schafft, fünf Minuten durchzuweinen. Das kann sich eine Altenpflegerin nicht leisten, schon aus Zeitgründen.
    Auf Zimmer drei hat Frau Sonne Schmerzen.
    Auf Zimmer vier kann Herr Knabe nicht schlafen.
    Auf Zimmer fünf ist Frau Kropp gerade am Durchdrehen, weil der Ausschlag wieder so juckt, und wenn da nicht bald jemand kommt und sie eincremt, dann garantiert sie für nichts.
    Und wie ich Ihre Freundin Frau Könick kenne, wird sie auch gleich klingeln.
    Oh ja.
    Auf Zimmer zwei wird es auch gleich klingeln. Karlottas Wecker. Er wird Suzanna aus dem Schlaf reißen, aber das ist Karlotta egal, weil sie nämlich ein Pensum zu erfüllen hat. Hundertachtzig Pflegeminuten in vierundzwanzig Stunden – da heißt es früh anfangen. Deswegen stellt Karlotta jeden Abend ihren Wecker auf 03 : 20 . Deswegen klingelt der Wecker jede Nacht um 03 : 20 . Dann klingelt Karlotta.
    Schwester Olga weint jetzt seit zwei Minuten, und ich glaube nicht, dass eine so pflichtbewusste Pflegefachkraft mehr als drei Minuten schafft, von fünf ganz zu schweigen, oder was meinen Sie?
    Vier?
    Sie sind Optimist?
    Wie schön für Sie. Dann mögen Sie sicher diese schönen Kalender, die man jedes Jahr neu kaufen kann, die mit den Sprüchen, Sie wissen schon.
    In der Kürze liegt die Würze.
    Jeder ist seines Glückes Schmied.
    Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb’ in Ewigkeit.
    Optimistensprüche. Die R ESIDENZ ist voll davon. Überall hängen diese Kalender mit diesen Optimistensprüchen, manchmal sind es auch optimistische Bauernregeln.
    Auf des harten Winters Zucht folgt die süße Sommerfrucht.
    Gibt’s im Juni Donnerwetter, werden Vieh und Weiber fetter.
    Vor ein paar Tagen hat mir Schwester Cornelia erklärt, dass die Kalender sehr wichtig sind. »Viele unserer Bewohner sind ein bisschen desorientiert«, hat sie gesagt, »und da geben die Kalender einen gewissen Halt. Da wissen unsere desorientierten Bewohner dann wenigstens, welchen Monat wir haben und welchen Tag, und fühlen sich nicht mehr ganz so verloren.«
    Aha, habe ich gesagt.
    Die Uhren, habe ich gesagt, die sind

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