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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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irgendeinem Mann im zweiten Stock. Er hat eine Glatze, aber dafür eine ganze Menge Brusthaar.
    Â»Jedes Mal, wenn die Typen mit ihren Grasflecken anrücken, muss ich an Frau Kropp denken«, sagt Doppelrudi zupfend und mit einer Stimme, die plötzlich sehr traurig klingt. »Konstanze … Frau Kropp könnte eine Transplantation gut gebrauchen. Alle sagen ihr, dass es nur ein Ausschlag ist, dabei ist es Hautkrebs. Vor allem hier«, er hört mit dem Zupfen auf und berührt die Haut an meinem Hals, »und hier«, er berührt die Haut auf meiner Stirn, »und hier und hier«, rechte Wange, linke Wange, »außerdem hier und …« Doppelrudi tippt auf mir herum wie ein Medizinstudent, der bei einer Prüfung zeigen soll, wo der Mensch überall Haut hat. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist mit der Transplantation bei Frau Kropp. Außerdem weiß ich nicht, was so schlimm sein soll an flächendeckendem Krebs auf so einer alten Haut, ich meine: Die Frau ist 89 . Mit 89 muss sich keiner mehr Sorgen machen, ob er bald an Hautkrebs stirbt oder nicht, weil er sowieso bald tot sein wird.
    Â»Das sagen Sie besser nicht«, wird Schwester Cornelia zu mir sagen später am Tag, »nicht zu Doppelrudi.« Dann wird sie mir erklären, dass Doppelrudi ein sehr inniges Verhältnis zur alten Kropp hat, weil sie der einzige Mensch im Heim ist, der Doppelrudi nicht Doppelrudi nennt. Vielleicht der einzige Mensch überhaupt.
    Â»Und wie nennt sie ihn dann? Rudolf? Rudi? Dolfi?«
    Â»Würde Frau Kropp nie machen«, wird Schwester Cornelia sagen, »Doppelrudi mag seinen Namen nicht, in keiner Version.«
    Â»Und wie dann?«
    Â»Das weiß niemand. Sie flüstern immer, wenn sie zusammen sind. Bei der Morgenpflege, beim Eincremen, beim Rundendrehen in der Grünanlage. Sie gehen immer Arm in Arm, er flüstert ihr Sachen direkt ins Ohr, weil sie schon ziemlich taub ist und kein Hörgerät tragen will, aber wahrscheinlich versteht sie trotzdem nicht, was er da flüstert, und dann flüstert sie ihm etwas zurück, auch direkt ins Ohr, und er lächelt.«
    Seinen Namen.
    Sie flüstert seinen Namen. Den einzig richtigen.
    Doppelrudi seufzt und hebt den Kamm, gleich wird er mir damit einen Scheitel ziehen, ich reiße meinen rechten Arm hoch, Doppelrudi geht in Deckung, zu spät. Ich schlage ihm mit zirka vier Hertz (grobschlägiger Tremor) den Kamm aus der Hand.
    Â»Tschuldigung«, sage ich.
    Â»Macht nichts.« Doppelrudi bückt sich nach dem Kamm.
    Die Verzögerungstaktik war erfolgreich, jetzt brauche ich dringend ein solides Ablenkungsmanöver.
    Doppelrudi hebt den Kamm auf und streift ihn an seinem Kittel ab, ich zeige mit mittelschlägigem Tremor aus dem Fenster und sage: »Wer ist eigentlich der nackte Mann, der da gerade über den Zaun in den Käfig klettert?«

8
    Knack. 07 : 36.
    Ich hätte das mit den Lufterfrischern heute lassen sollen, dann wäre ich jetzt früher dran, aber es gibt Dinge, die muss man einfach machen, nicht wahr.
    Draußen scheint die Sonne, der Himmel ist knallblau, der Rasen ist knallgrün, ein herrlicher Tag heute, ich sitze im Nebel.
    Es ist immer neblig um diese Zeit auf Zimmer Nummer fünf. Wenn draußen die Sonne scheint, ist der Nebel drinnen milchig und wabert in Schlieren durch den Raum. Wenn es draußen bewölkt ist oder regnet, kann man den Nebel nicht sehen. Dann ist er einfach da und füllt den Raum aus wie ein großes graues Tier, das genau in den Käfig passt, in dem es sitzt.
    Ich sitze auf einem Stapel alter Zeitungen neben dem Fenster und inhaliere tief. Der Aschenbecher steht auf dem Fensterbrett, gut gefüllt, das Fenster ist geschlossen. Ziemlich überflüssig, was ich da gerade mache, ich könnte genauso gut einfach tief durchatmen. Um diese Zeit in diesem Zimmer rauchen, das ist wie bei Regen in den Garten gehen und den Sprinkler anstellen.
    Ein Holzbrett bügeln.
    Eine Leiche töten.
    Gräfin Augusta von Lauenthal sitzt vor mir auf einem Stapel alter Broschüren und raucht auch, wie jeden Morgen. Der Morgen fängt bei ihr um fünf an und hört um zehn vor sieben auf. Um 07 : 45 kommt ein kurzes Krachen aus dem Lautsprecher an der Decke, und der Radetzkymarsch erinnert alle Heimbewohner daran, dass Schwester Terese schlimme Sachen mit ihnen anstellen wird, wenn sie nicht in zehn Minuten auf ihren Plätzen im Speisesaal

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