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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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dann müssen wir los.
    Â»Und was machen wir bis dahin?«, sagt Suzanna.
    Â»Rauchen«, sage ich und ziehe die Zigarettenschachtel aus meiner Hosentasche. »Höchste Zeit, schon mal ein bisschen zu üben für die Zeit nach dem MDK , wenn wir aus der Stillhaltephase als gebrechliche alte Frauen in die psychomotorische Aktivitätsphase als privilegierte Ehrengäste der R ESIDENZ übergehen und es mein ganz individuelles Privileg sein wird, hier in diesem scheiß Altenheim alles, wirklich alles mit diesem«, ich halte die Schachtel hoch, »köstlichen Gift zu verpesten.«
    Alle grinsen.
    Â»Karlotta, meine Liebe«, sage ich und zeige auf den Erinnerungskoffer, der auf dem Boden steht, »würdest du mir mit den gesammelten Erinnerungen von Frau Sonne Feuer geben?«
    Â»Aber gerne, meine Liebe.« Karlotta steht auf und nimmt die Streichholzschachtel aus dem Karton. Sie gibt mir Feuer, ich inhaliere tief.
    Â»Und wisst ihr was«, sage ich und blase Rauch aus, »wisst ihr, was unsere erste kreative Tat sein wird, wenn unsere Aktivitätsphase einmal begonnen hat?« Ich ziehe an der Zigarette, ich inhaliere tief, alle sehen mich erwartungsvoll an. »Wir schlachten Attila!« Gift schießt aus meinem Mund.
    Â»Oh ja! Klatschklatsch. Attila schlachten! Aber langsam! Bittebitte langsam!«
    Â»Sehr gerne, Suzanna, meine Liebe.« Gift quillt aus meiner Nase. »Wir werden Attila so langsam zu Tode quälen wie er den Maushasen Fips, und ich erkläre mich gerne bereit, mit diesen«, ich reiße den Mund weit auf und zeige Suzanna meine braungelben Zähne, »Wäh!«, kichert sie, »mit diesen astreinen Beißwerkzeugen, die alle echt sind, Attilas Körper zu verstümmeln. Ich werde ihm blutige Löcher in seinen fetten Wanst beißen, dann werde ich ihm das rechte Ohr abfetzen, und wenn ich so lange an seinem linken gezerrt habe, bis es nur noch an einem dünnen Faden hängt, dann kommt der Höhepunkt: Dann beiße ich ihm ein Auge aus, so wie er es heute mit Fips getan hat.«
    Marlen richtet sich kerzengerade auf. »Was?«, sagt sie scharf. »Was hat Attila heute gemacht?«
    Ich blase Rauch aus. »Er hat Fips ein Auge ausgebissen. Dann hat er es vor mir auf den Boden gespuckt, der Bastard. Ich war gerade auf dem Klo, und es ist ein herrlicher Gedanke, dass ich bald nie mehr wie ein verdammter Gymnasiast heimlich auf dem Klo …«
    Â»Wohin?«, sagt Marlen.
    Â»Wie wohin?«, sage ich.
    Â»Wohin hat er das Auge gespuckt?«
    Karlotta und Suzanna wechseln irritierte Blicke. Was ist nur plötzlich los mit Marlen?
    Â»Keine Ahnung«, sage ich. »Er hat mich angestarrt, dann hat er einen Buckel gemacht und seinen Schädel nach vorne gebeugt, bis das Riesending dicht über dem Boden gependelt ist wie eine Glocke. Dann hat es plopp gemacht, und etwas rundes Blaues ist aus dem Maul gefallen. Das Auge von Fips eben.«
    Â»In die Mitte oder nach rechts?«
    Â»Hä?«
    Â»Ist das Auge in die Mitte gefallen oder nach rechts?«
    Â»Mein Gott, Marlen! Ich habe keine Ahnung, wohin es gefallen ist. Es ist auf den Boden gefallen, und aus!«
    Marlen schnellt von ihrem Klappstuhl hoch, sie schießt auf mich zu, ich ducke mich wie jemand, auf den ein Pfeil zugeschossen kommt, kurz vor mir bremst sie ab und krallt sich den Klappstuhl neben mir. Sie zerrt ihn unter ihren mageren Hintern, der Klappstuhl winselt, sie reißt mir die Zigarette aus der Hand und wirft sie auf den Boden.
    Â»He!«, sage ich.
    Marlen rückt dicht an mich heran, ganz dicht, sie starrt mir in die Augen. Ihre Pupillen, denke ich, sie müssten rund sein, aber sie sind es nicht.
    Schwarze Schlitze.
    Â»Almut«, sagt sie leise, »denk nach, es ist wichtig. Ist das Auge in die Mitte gefallen oder nach rechts?«
    Braune Schlieren ziehen sich über Marlens Netzhaut, aber das ist nur das Licht, denke ich, nichts weiter. Nur eine Reflexion.
    Â»Aber warum ist das wichtig?«, sage ich.
    Â»Weil es ein Zeichen ist. Attila hat dir ein Zeichen gegeben. Dir, nicht mir, aber nur ich weiß, was es bedeutet. Es geht um unsere Zukunft, Almut, und deswegen musst du dich jetzt erinnern.«
    Â»Und was wäre, wenn das Auge in die Mitte gefallen ist? Was würde das für unsere Zukunft bedeuten?«
    Â»Dann«, sagt Marlen, »kommt alles ins Lot.«
    Â»Und nach rechts?«
    Â»Dann kommt der Tod.«
    Ich starre

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