Der Zypressengarten
Zufriedenheit ging ihm über alles.
»Clemmie, was hältst du davon, wenn du Rafa ein bisschen herumführst?«, schlug Marina vor. »Du hast heute nichts anderes vor, oder?« Sie wandte sich zu Rafa. »Den Black Bean Coffee Shop, der eines der Highlights von Dawcomb sein dürfte, kennen Sie ja schon. Also wäre es vielleicht ganz nett, die ländliche Umgebung mit einer Führerin zu erkunden, die sich hier auskennt.«
»Und der Devon am Dings vorbeigeht«, ergänzte Jake spöttisch. »Clemmie macht kein Geheimnis draus, dass sie Devon hasst.«
»Das ist nicht fair«, widersprach Marina. »Clemmie hasst Devon nicht. Sie möchte einfach nur sehr gerne wieder nach Indien.«
»Vielleicht erweist sich meine Begeisterung als ansteckend«, sagte Rafa, dessen Augen blitzten, als er Clementine ansah – genau wie sie es im Black Bean Coffee Shop getan hatten. Ihr schwoll die Brust vor Glück. »Was meinst du? Bist du meine Fremdenführerin?«
Unwillkürlich musste Clementine lächeln. Es war unmöglich, nicht auf Rafas natürliche Herzlichkeit anzuspringen. »Klar, wenn du willst.«
Marina beobachtete, wie Clementines Gesicht erblühte, und wünschte, sie würde häufiger so lächelnd. Wenn sie es tat, war sie wirklich sehr hübsch.
11
Nachdem sie ihren Kaffee getrunken hatten, regte Grey an, dass Clementine zunächst eine Ausfahrt mit Rafa machte, damit sie zum Mittagessen wieder zurück waren. »Fahrt erst mal herum, damit Rafa einen ersten Eindruck bekommt.«
»Und zeig ihm den Strand«, sagte Marina. »Es ist solch ein schöner Tag. Ihr könnt barfuß durch den Sand laufen.«
»Und fahr mit ihm zum Wayfarer«, ergänzte Jake.
Clementine schnaubte verärgert. »Ich weiß schon selbst, was ich mit ihm mache, tausend Dank.«
»Du kannst meinen Wagen nehmen«, sagte Grey.
»Was stimmt denn mit meinem Mini nicht?«
»Na ja, der ist ein bisschen klein.«
Clementine drehte sich zu Rafa. »Findest du einen Mini zu klein?«
»Du bist der Boss«, antwortete er achselzuckend. »Am besten entscheidest du allein. Wie heißt es so schön? Zu viele Köche verderben den Brei.«
Marina lachte. »Wie recht Sie haben! Kommt, lassen wir die beiden allein. Wir sehen uns dann um eins wieder hier.«
»Meinetwegen. Ich gehe mich umziehen, Rafa. Wir treffen uns in fünf Minuten beim Empfang.«
Clementine lief ins Privathaus. Allein in ihrem Zimmer konnte sie endlich wieder atmen.
»Oh mein Gott!«, rief sie dem Badezimmerspiegel entgegen. »Er ist fantastisch. Sogar noch fantastischer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Und er erinnert sich an mich!« Sie tuschte sich die Wimpern und deckte die dunklen Ringe darunter mit Concealer ab. »Ich weiß gar nicht, wieso ich mir die Mühe mache, denn, ernsthaft, er wird mich nie wieder richtig angucken. Wieso sollte er auch? Und wahrscheinlich hat er sowieso eine feste Freundin. Männer wie der sind immer vergeben.« Sie besprühte sich mit Penhaligon Bluebell und seufzte theatralisch, weil sie so gerötete Wangen hatte.
Was wird Sylvia sagen, wenn ich ihr erzähle, dass der Argentinier, von dem ich dachte, dass ich ihn nie wiedersehe, den Sommer über bei uns wohnt? Ist das Schicksal? Ist es mir bestimmt, mich zu verlieben und bis ans Ende meiner Tage glücklich zu sein?
Sie tauschte ihre weiße Jeans gegen eine blaue aus und zog ein blau kariertes Jack-Wills-Shirt über einem weißen T-Shirt an. Ihre Zehennägel waren noch nicht für Flip-Flops lackiert, deshalb wählte sie stattdessen die blauen Nike-Turnschuhe, die sehr lässig waren. Sie wollte ja nicht aussehen, als hätte sie sich mächtig angestrengt, und so ließ sie ihr Haar, wie es war. Dennoch täuschte sie Marina nicht, denn als sie in die Empfangshalle kam, lächelte die ihr wissend zu. Clementine fiel auf, dass auch die Wangen ihrer Stiefmutter glühten, und sie tat ihr leid, weil sie sich etwas vormachte. Rafa mochte in der Nahrungskette ein bisschen höher als Clementine stehen, aber er befand sich auf einer gänzlich anderen Stufe als Marina, die schlicht viel zu alt für ihn war. Trotzdem wollte Clementine nicht gehässig sein, auch wenn sie merkte, wie Schadenfreude in ihr aufstieg.
Jennifer und Rose waren ebenfalls beide am Empfang und taten, als hätten sie etwas Offizielles zu klären, was ihnen natürlich niemand abnahm. Mit ihren langen Wimpern und dem tumben Gesichtsausdruck ähnelten sie zwei neugierigen Kühen, die sich gegenseitig anrempelten, während sie um ein Lilienbeet herumschlichen.
»Okay, alles
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