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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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eigene Kinder?«
    »Nein. Sie konnte keine kriegen. Das ist ein wunder Punkt bei ihr. Sprich sie lieber nicht drauf an.«
    »Verstehe.« Er legte seine Hände seitlich auf die Kanzelbrüstung, als wäre er ein Vikar, der sich zur Predigt bereit machte. Sein Gesicht wirkte ernst.
    »Jake und ich sind der einzige Ersatz, den sie an Kindern je haben wird.«
    »Du scheinst kein Mitleid mit ihr zu haben.«
    »Ist das so offensichtlich?« Sie rümpfte die Nase. »Wir sind sehr unterschiedlich, sie und ich.«
    »Wie alt warst du, als sie deine Stiefmutter wurde?«
    »Drei, und ich dachte, dass sie meinen Vater gestohlen hat.«
    Rafa kam die kleine Treppe herunter und stellte sich vor Clementine. Er sah sie mit einem solchen Mitgefühl an, dass sie ein merkwürdiges Ziehen in ihrer Brust spürte. Sie hatte nicht vorgehabt, so viel von sich preiszugeben.
    »Ich verstehe«, sagte er und berührte ihren Arm. Die Art seiner Berührung und der dunkle Schatten, der sein Gesicht so ernst machte, legten nahe, dass er sie tatsächlich verstand.
    »Danke«, war alles, was sie herausbrachte.
    Er lächelte. »Komm, lass uns wieder raus in die Sonne gehen. Ist hier unten ein Strand? Ich würde gerne das Meer sehen.«
    Seine Hand war auf ihrem Rücken, als er sie an dem Altar vorbei zur engen Steintreppe führte, über die sie hereingekommen waren. Die Kirche war ihr geheimer Ort, und sie war seine Fremdenführerin; trotzdem kam es ihr in diesem Moment vor, als würde er sich um sie kümmern. Sie genoss es und fühlte sich feminin wie nie zuvor. Warum sie sich einem vollkommen Fremden öffnete, wusste sie selbst nicht. Vielleicht gerade weil er ein Fremder war und nichts über sie oder ihre Familie wusste. Oder weil etwas in seinen braunen Augen sie verführte, ihm zu trauen.
    Wie Vampire traten sie hinaus in den hellen Sonnenschein und blinzelten. Die Butterblumen leuchteten kleinen Flammen gleich, und nach dem modrigen Geruch in der Kirche wirkte die Luft hier draußen schwanger vor Leben. Beide atmeten tief ein und ließen sich vom warmen Sonnenschein die Gesichter streicheln. Das Meer unterhalb der Klippen war ruhig. Träge schwappten die Wellen gegen die Felsen und erzeugten einen einschläfernden Rhythmus. Sie gingen hinunter an den Strand. Früher war hier ein Pfad gewesen, den längst Farne und wilde Brombeeren überwuchert hatten. Clementine war froh, dass sie eine Jeans trug, sodass die Dornen an dem Stoff statt an ihrer Haut rissen.
    Den Weg nach unten redeten und lachten sie. Rafa half ihr ein oder zwei Male, sich von den Brombeerzweigen zu befreien, die sich an ihren Knöcheln verhakt hatten.
    »Und all das für einen Strand«, sagte er kopfschüttelnd, nachdem er ihre Jeans freibekommen hatten.
    »Das ist nicht irgendein Strand. Er ist wirklich schön.«
    »Sieht nicht aus, als wäre in den letzten Jahrzehnten jemand hier gewesen.«
    »Ist auch keiner. Ich ebenfalls nie. Ich habe ihn vom Boot aus gesehen, aber noch nie versucht, zu Fuß herzukommen.«
    »Wir sollten lieber einen Weg freischlagen, damit wir das nächste Mal runtersteigen können, ohne von Pflanzen gefressen zu werden.«
    Der Gedanke, häufiger mit Rafa herzukommen, hob Clementines Stimmung noch mehr. Sie hatten einen ganzen Sommer vor sich, und sie würde ihm mit Freuden jeden Winkel von Devon zeigen.
    Schließlich wurde der Weg zu einem Sandstreifen, der in einen abgeschiedenen gelben Strand mündete. Vom Wasser aus hatte er schon sehr hübsch ausgesehen, doch nun stellte Clementine fest, dass er aus der Nähe noch viel schöner war, als sie es sich vorgestellt hatte. Und die Tatsache, dass weder Marina noch ihr Vater diesen kleinen Strand bisher in Beschlag genommen hatten, machte ihn besonders reizend. Dies würde Clementines Strand sein, unterhalb ihrer Kirche, und sie würde ihn mit niemandem außer Rafa teilen.
    »Erzähl den anderen bitte nichts von diesem Strand und der Kirche, ja? Ich möchte nicht, dass die gesamte Grafschaft hier angedackelt kommt.«
    Er stemmte seine Hände in die Hüften und blickte übers Meer. »Nein, ich verrate es keinem. Es ist fantastisch.« Er atmete so tief ein, dass seine Nasenflügel bebten. »Endlich bin ich hier«, ergänzte er, und Clementine hatte den Eindruck, als würde er mit sich selbst sprechen.
    Sie gingen ans Wasser. Rafa zog seine Schuhe aus und krempelte die Jeans hoch. Seine Begeisterung steckte sie an, es ihm gleichzutun. Das Wasser war kalt, aber Rafa bestand darauf, dass sie die gesamte Länge der Bucht

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