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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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sie sich die Tränen ab und setzte sich wieder hin. »Ich gebe nicht auf«, sagte sie fest und blickte zu ihrem Mann. Er spürte ihre Entschlossenheit und wusste, dass der Kampf noch lange nicht zu Ende war. »Ich probiere alles, dreh jeden Stein um und bettel, falls ich muss. Aber ich verkaufe nicht. Da müsst ihr mich erst begraben.«
    Jake hüstelte verlegen. »Also kommen sie jetzt oder nicht?«
    Grey sah seine Frau an. »Sollen sie ruhig kommen«, antwortete sie. »Die dürfen uns alles Geld der Welt anbieten. Und ihr könnt zugucken, wie ich ›nein‹ sage, denn ›nein‹ ist die einzige Antwort, die sie von mir kriegen.«
    Grey und Jake verließen das Büro. »Ich brauche einen Drink«, sagte Grey zu seinem Sohn.
    »Ich auch. Gott, dass sie so emotional werden muss!«
    »Ja, bisweilen ist sie recht heißblütig.« Sie gingen gemeinsam hinüber zum ausgebauten Stall.
    »Ist das nicht ganz schön anstrengend?«, fragte Jake und folgte Grey ins Wohnzimmer.
    »Sie ist ja nicht immer so. Zur Zeit macht sie eine schwierige Phase durch. Wie du weißt, liebt sie dieses Hotel. Es ist für sie das Kind, das sie nicht haben konnte.«
    »Der Satz hat mich echt geschafft. Ich habe vorher nie gehört, dass sie über ihre Kinderlosigkeit gesprochen hat.«
    Grey ging zum Vitrinenschrank und schenkte ihnen jeder einen Gin mit Tonic ein. »Sie spricht auch nie darüber. Aber es ist die ganze Zeit da, brodelt unter der Oberfläche. Marina mag sehr offen und energisch wirken, zugleich jedoch ist sie extrem verschlossen. Ich war genauso erstaunt wie du, dass sie es ausgesprochen hat.«
    »Mir tut sie leid. Du hast ja schon zwei Kinder, aber sie hat keins.«
    Grey reichte Jake ein Glas. »Das ist nett von dir.«
    »Langsam wird mir klar, wieso Clemmie so eine Enttäuschung für sie ist.«
    »Marina liebt euch beide. Auch wenn ihr nicht ihre Kinder seid, hat sie euch aufwachsen gesehen. Es macht sie sehr unglücklich, dass Clemmie und sie sich nicht verstehen.«
    Jake trank einen Schluck und setzte sich auf das Sofa. »Clemmie ist bloß durcheinander.«
    »Kennst du diesen Joe?«
    »Nein.«
    »Ich frage mich, ob er gut für sie ist.«
    »Das bezweifle ich. Sie scheint nicht mal besonders hin und weg von ihm. Ihre Behauptung, dass sie verliebt ist, ist kompletter Schwachsinn.«
    »Wenn man in meinem Alter ist, begreift man, dass man das Leben anderer nicht für sie leben kann. Falls es nicht hinhaut, kommt sie zurück.«
    »Nein, wird sie nicht. Dazu ist sie viel zu stolz. Eher jobbt sie und schwirrt bei der nächstmöglichen Gelegenheit wieder nach Indien ab.«
    Marina blieb an ihrem Schreibtisch. Als sie nach ihrem Stift griff, sah sie, dass ihre Hand zitterte. Unweigerlich umfasste sie die Finger mit der anderen Hand, als wären sie verletzt, und rieb sie. Unterdessen überlegte sie, welche Möglichkeiten sie hatte. Viele waren es nicht. Eine allerdings gab es. Marina nagte an ihrer Unterlippe und richtete ihren Blick zum Fenster. Das Meer draußen war ruhig, der Himmel klar. Ein paar Möwen segelten im Wind. Falls nötig, konnte sie noch eine einzige Karte ausspielen, einen Menschen um Hilfe bitten. Aber wagte sie es, zurückzugehen und jene Tür zu öffnen, die sie vor Jahren hinter sich geschlossen hatte? Tränen wallten in ihr auf, und sie stützte den Kopf in die Hände. Es gab keinen anderen Weg.
    * * *
    Am nächsten Morgen erwachte Clementine zum schrillen Klingeln des Weckers. Zuerst war sie orientierungslos, als sie die Augen öffnete und eine unbekannte Umgebung sah: beige Vorhänge, weiße Wände, nichtssagende Bilder. Dann atmete sie den sehr maskulinen Geruch ein und erinnerte sich wieder. Sie verdrängte das Heimweh, das sie überkam, und stützte sich auf die Ellbogen auf. Joe lag stöhnend neben ihr. Er warf einen Arm über sein Gesicht, um es gegen das Sonnenlicht abzuschirmen, das durch die Vorhänge hereinfiel. Bei Joes Anblick empfand Clementine nichts als Enttäuschung. Sie liebte ihn nicht, und jetzt gerade, da er sich wie ein sterbender Hund anhörte, fand sie ihn zutiefst abstoßend.
    Sie stieg aus dem Bett und wankte ins Bad. Ihre Beine fühlten sich schwerer denn je an. Sie wusch sich das Gesicht und band ihr Haar hoch. Trotz ihrer dreiundzwanzig Jahre sah sie alt und müde aus. Sie dachte an Rafa und wie sie ihn angeblafft hatte. Ihr Benehmen hatte nicht direkt von Reife gezeugt. Er entschuldigte sich bei ihr, und sie machte ihm unmissverständlich klar, dass sie ihm nicht verziehen hatte, auch wenn

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