Derek Landy
schüttelte Scapegrace die Hand und schenkte
ihm ein trauriges Lächeln. "Wollen Sie sich nicht setzen?", bot er
freundlich an.
"Gerne. Ich fühle mich ziemlich schwach wegen des
Verlusts meines toten Bruders."
Der Bestatter führte ihn zu einem bequemen Stuhl, setzte
sich dann hinter seinen großen Schreibtisch und öffnete eine Mappe. Er nahm
einen teuer aussehenden Stift in die Hand und sah Scapegrace an. "Darf ich
um Ihren Namen bitten?"
Scapegrace hatte diese Szene ein Dutzend Mal geübt. Er war
gut vorbereitet. "Elvis O'Carroll."
Der Bestatter zögerte kurz, dann nickte er und schrieb ihn
auf. "Und der Ihres Bruders?"
"Bitte?"
"Der Name Ihres Bruders."
Scapegrace erstarrte. Bis jetzt war alles so gut gelaufen.
"Der Name meines Bruders", brachte er mühsam heraus, "ist ...
ein Name, bei dem ich jedes Mal weinen muss. Sein Name, der Name meines
Bruders, meines toten Bruders, ist ..." Seine Gedanken rasten,
überschlugen sich und stolperten über Hürden. Ein Name. Ein einfacher Name.
Alles, was er brauchte, war ein einfacher Name, damit er zum nächsten Punkt der
Unterhaltung kommen konnte, doch ihm fiel keiner ein. Als ihm bewusst wurde,
dass er den Bestatter verwirrt anstarrte, nahm Scapegrace den erstbesten Namen,
der ihm aus dem Geschichtsunterricht einfiel. "Adolf!"
Der Bestatter sah ihn an. "Bitte?"
"Adolf O'Carroll", ergänzte Scapegrace, wobei er
sich bemühte, möglichst ruhig zu wirken. "Mit zwei 1 am Ende."
"Ihr Bruder hieß Adolf?"
"Genau. Finden Sie daran etwas verkehrt? Der Name kommt
in meiner Familie häufig vor. Ich hatte einen Onkel Adolf und eine Großtante
Adolf."
"Eine Großtante? Sie wissen natürlich, dass Adolf
traditionsgemäß ein Männername ist, ja ...?"
"Nun, das passt. Meine Großtante war nämlich
traditionsgemäß ein Mann."
"Sie scheinen eine hochinteressante Familie zu haben,
Mr O'Carroll", bemerkte der Bestatter höflich, während er sich Notizen
machte.
"Bitte nennen Sie mich Elvis", forderte Scapegrace
ihn auf.
"Sehr wohl. Darf ich fragen, welche Dienste Sie in
dieser schwierigen Zeit von uns wünschen? Erdbestattungen sind natürlich unser
Spezialgebiet, aber wir können auch-"
"Einbalsamieren?", unterbrach Scapegrace ihn.
"Nehmen Sie selbst auch Einbalsamierungen vor?"
"Wir bereiten die Verstorbenen auf ihre letzte
Ruhestätte vor, ja."
"Und das machen Sie hier?"
"In unseren Räumlichkeiten, jawohl. Wir haben speziell
ausgebildete Mitarbeiter, die jeden Verstorbenen mit höchstem Respekt
behandeln. Wir haben festgestellt, dass auch der Tod seine Würde hat, genau wie
das Leben."
"Wie lange dauert es?" "Das
Einbalsamieren?"
"Wie lange dauert es, bis die Zersetzung aufhört?"
"Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe ... Was genau
sollen wir für Sie tun?"
"Ich will ihn konservieren lassen."
Der Bestatter legte seinen Stift auf den Tisch und
verschränkte die Finger. "Sollen wir ... sollen wir eine Taxidermie
vornehmen?"
"Eine was? Nennt man das so, wenn man ein Tier
ausstopft und ausstellt?"
"So ist es."
"Genau!", rief Scapegrace vergnügt. "Genau
das will ich. Können Sie das machen?" "Nein."
"Warum nicht?"
"Weil bei der Taxidermie der Tierkörper an sich nicht verwendet
wird. Das Tier wird gehäutet und die Haut wird dann über ein Tierkörpermoüfell
gespannt. Bitte beachten Sie, dass ich hier immer von Tieren spreche. Das liegt
daran, dass Taxidermie bei Menschen nicht angewandt wird. Es könnte als
einigermaßen barbarisch angesehen werden."
"Wäre sowieso nichts für mich", murmelte
Scapegrace. "Es muss der Originalkörper sein. Könnten Sie ihn dann
einbalsamieren und mir einfach so mitgeben?"
"Tut mir leid, aber einen Mitnahme-Service bieten wir
nicht an."
"Vielleicht bietet ihn das Institut gegenüber an."
"Wundern würde mich das nicht", schnaubte der
Bestatter, "aber ich glaube, dass selbst die sich nicht auf diese Ebene
herablassen würden. Mr O'Carroll -"
"Elvis."
"Elvis, ich glaube, der Tod Ihres Bruders hat Ihr Urteilsvermögen
eingeschränkt. Sie können im Moment nicht klar denken. Worum Sie bitten, ist
... beunruhigend."
"Adolf hätte es so gewollt."
"Ich bin mir sicher, er hätte eine etwas friedlichere
Ruhestätte zu schätzen gewusst."
"Seine letzten Worte an mich waren: ,Ich will nicht
beerdigt werden.'"
"Wir bieten auch Einäscherungen an."
"Und dann hat er noch gesagt: ,lch will auch nicht
verbrannt werden."
Der Bestatter seufzte. "Elvis, ich glaube, wir können
Ihnen nicht helfen. Es kommt nicht
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