Derek Landy
ich brauchte auch den Rest. Ich brauchte
alles."
"Du hast immer noch deinen Verstand. Du verlierst doch
nicht die Fähigkeit zu denken, oder? Du bist schließlich kein Tier."
"Doch, genau das bin ich. Du schaust mich an, solange
die Sonne scheint, und du glaubst, das bin ich. Das ist Caelan. Du glaubst, der
Vampir sei das Ding, das nachts zum Vorschein kommt und morgens wieder
verschwindet, wenn Caelan zurückkommt. Du hast noch nicht begriffen, dass der
Vampir auch Caelan ist. Dieses Gesicht ist eine Maske. Die Haut eine
Verkleidung. Darunter steckt mein wahres Ich, Walküre. Ich bin keine gemarterte
Seele. Ich bin kein grüblerischer Romantiker. Ich bin ein Monster und es
vergeht kein Augenblick, in dem ich dir nicht am liebsten die Kehle
aufschlitzen würde. Kein anderer Vampir auf diesem Planeten will etwas mit mir
zu tun haben und ich habe wirklich keine Lust, von dem Skelett-Detektiv und
seinen rachedurstigen Freunden gestellt zu werden, nachdem ich deinen Körper
ausgesaugt habe. Ich finde Unsterblichkeit nämlich ganz gut. Man gewöhnt sich
nach einer Weile daran."
Walküre sah ihn an, sagte aber nichts, und langsam verflog
sein Zorn, bis sie nur noch zwei Menschen waren, die sich schweigend
gegenüberstanden.
"Weißt du was?", begann sie schließlich. "So
viele Worte auf einmal habe ich dich noch nie reden hören."
Caelan nickte. "Ich habe gerade dasselbe gedacht."
"Bist du okay?"
"Meine Stimmbänder sind ein bisschen wund."
"Magst du dich setzen?" Er lächelte und sie lächelte zurück. "Du
musst das unbedingt für mich tun." Sein Lächeln verschwand. "Ich sage
es noch einmal: nein."
"Hör mir jetzt gut zu, ja? Ich arbeite an etwas, etwas,
das mir helfen kann, etwas, das hoffentlich die Lösung all meiner Probleme ist.
Aber es ist nun mal gefährlich. Und ich meine, wirklich gefährlich.
Möglicherweise überlebe ich es nicht. Und ich kann weder Skulduggery noch
Tanith oder Fletcher davon erzählen, weil sie versuchen würden, mich davon
abzuhalten."
"Aber mir kannst du es erzählen, weil du glaubst, dass
ich nicht versuche, dich davon abzuhalten?"
"Nein, dir erzähle ich es auch nicht. Aber bevor ich es
mache, muss ich wissen, ob es das Richtige ist. Ich muss wissen, was Dusk
gesehen oder gefühlt oder gespürt hat. Wenn es so schlimm ist, wie ich glaube,
werde ich diese gefährliche Sache in Angriff nehmen, weil ich keine andere Wahl
habe. Wenn es nicht so schlimm ist, wie ich glaube, werde ich es nicht tun. So
einfach ist das."
Caelan wandte sich ab und sagte lange Zeit nichts.
"Okay", meinte er schließlich, "aber danach
wäre es wahrscheinlich das Beste, wenn wir uns nie mehr wiedersehen
würden."
"Das klingt ein bisschen sehr dramatisch, findest du
nicht?"
"Möglich."
"Aber das ist doch lächerlich. Warum sollten wir uns
nicht mehr wiedersehen?"
"Du sagst das so, als würdest du mich vermissen."
"Natürlich werde ich dich vermissen. Wir sind
schließlich Freunde."
"Nein, sind wir nicht."
Sie runzelte die Stirn. "Nein?"
"Wir können nie einfach nur Freunde sein, du und ich,
Walküre. Wir sind vom Schicksal dazu bestimmt, entweder nichts füreinander zu
sein oder alles."
Sie blickte ihn an und versuchte aus dem, was er gerade
gesagt hatte, schlau zu werden. "Äh ..."
"Wortgewandt wie immer."
"Was ich ... Caelan, ich bin mit Fletcher zusammen. Und
ich mag Fletcher und ich will dir nicht wehtun, aber ich ... ich weiß nicht,
was ich für dich empfinde. Das kommt ein bisschen überraschend, wenn ich
ehrlich bin."
"Du hast wirklich nichts von meinen Gefühlen
geahnt?"
"Absolut nichts. Es tut mir leid, wenn du das
angenommen hast." "Aha."
Sie sah ihn an, als er einen Schritt zurückwich. "Und
jetzt fühle ich mich total mies."
"Musst du nicht", entgegnete er.
"Es ist aber so. Glaubst du ... Ich hoffe, du glaubst
nicht, dass ich dich angemacht habe oder so."
Er schüttelte den Kopf, hielt jedoch den Blick gesenkt.
"Natürlich nicht, es ist meine Schuld."
"Es ist niemandes Schuld, Caelan. Du hast nichts falsch
gemacht. Es ist nur so, dass ich ... na ja, dass ich mit Fletcher zusammen bin
und nie wirklich an ... an dich als möglichen Freund gedacht habe."
"Weil ich ein Vampir bin", sagte er leise, als
verfluchte er seine ureigene Seele.
"Zum Teil ja", gab Walküre zu. "Aber zum
größten Teil liegt es daran, dass ich sechzehn bin und du ... hundert oder
so."
"Ah." Er rang sich ein Lächeln ab. "Ich bin
zu alt für dich." "Ein paar Jährchen."
"Und kein Teil von dir fragt sich,
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