Derek Landy
legte sie sich auf
einen Tisch und Nye schnallte ihre Handgelenke und Fußknöchel fest. Der Zwitter
spuckte auf die Klinge seines Skalpells und blickte auf sie herunter.
"Das wirklich Tragische an der ganzen Sache ist",
erklärte er, "dass du von den ganzen schrecklichen Schmerzen, die ich dir
zufügen werde, nichts mitbekommst."
Er drückte die Spitze des Skalpells an Walküres Schulter und
schnitt die Haut bis zum Brustbein hinunter auf. Da kein funktionierender Motor
ihr Blut durch die Adern pumpte, sickerte es träge heraus.
"Eigentlich müsste das die Hölle sein", fuhr Nye
fort. Seine Stimme klang gepresst von der Anstrengung, als er den Schnitt bis
zu ihrem Bauch weiterführte. "Wenn du noch am Leben wärst, würdest du
schreien. Mich anflehen aufzuhören. Gleich breche ich deinen Brustkorb auf. Das
würde definitiv wehtun."
Nye trat zurück, legte das Skalpell weg und schüttelte
leicht seine Hände aus, als wollte er einen Krampf loswerden. "Das war
harte Arbeit", erklärte er ihr. "Deine Bauchmuskulatur kann sich
sehen lassen, alle Achtung."
Walküre wollte das alles nicht sehen, wollte nicht sehen,
was der Zwitter mit ihr machte. Sie versuchte es ihm zu sagen, hatte jedoch
keine Energie zum Sprechen. Nye blickte sie an und bekam große Augen, als hätte
er verstanden.
"Du meine Güte. Du hast ja recht! Ich verhalte mich
sehr unprofessionell!" Es dauerte einen Moment, bis er die Chirurgenmaske
wieder über seine untere Gesichtshälfte gezogen hatte. "Hygiene ist
überaus wichtig im Operationssaal. Tut mir schrecklich leid."
Er schälte die Hautlappen von ihrem Brustkorb und Walküre
sah an sich hinunter. Ihr Fleisch löste sich mit einer Leichtigkeit von den
Knochen, als hätte man einen Reißverschluss geöffnet.
"Es gibt Leute, die die Rippen mit einer elektrischen
Säge abtrennen, aber ich finde das ziemlich unbefriedigend." Er hielt eine
Heckenschere hoch, wie Walküre sie daheim im Gartenschuppen hätte finden
können. "Diese hier sind sehr viel effektiver."
Walküre schloss die Augen, als der Zwitter sich wieder über
sie beugte. Sie hörte ein lautes Knacken und sah sich um. Sie streckte den Hals
und sah all die toten Leute an den Wänden ringsherum. Niemand schien sich um
das, was da gerade geschah, zu kümmern. Es knackte erneut, und als sie an sich
hinunterblickte, hob Nye gerade ihr Brustbein heraus und legte es beiseite.
"Fast sind wir am Herzen", verkündete er.
"Ich werde es rausholen müssen, damit ich die Symbole einritzen kann. Das
dauert etwas, aber ich bin ziemlich zuversichtlich, dass ich die nötigen
Arterien und das ganze Zeug anschließend wieder festklemmen kann.
Herzoperationen sind schließlich keine Operationen am Gehirn." Der Zwitter
kicherte in sich hinein. "Kleine humoristische Einlage, extra für
dich."
Er machte sich wieder an die Arbeit und Walküre lag da und
wusste, dass sie eigentlich entsetzliche Schmerzen haben müsste. Aber es gelang
ihr nicht, die Benommenheit abzulegen, die sie erfasst hatte.
Nye hob ihr Herz aus ihrer Brust und zeigte es ihr.
"Du wirst mir verzeihen, wenn ich jetzt keine Witze
mache, dass ich dein Herz gestohlen hätte oder so", meinte er, "aber
die habe ich leider bei früheren Patienten alle schon verbraucht. Ich kann dir
allerdings versichern, dass ausnahmslos alle diese Witze dem Anlass
entsprechend morbide und geistreich waren."
Walküre beobachtete, wie ihr Herz auf ein Tablett neben die
Heckenschere gelegt wurde. Der Zwitter kniff die gelben Augen zusammen, als er
lächelte.
"So schlimm war das doch gar nicht, oder? Ich hab
nichts fallen lassen. Ich hab nicht in die Nieren geschnitten und meinen Daumen
nicht durch einen deiner Lungenflügel gebohrt. Der erste Teil der Operation,
und ich denke, du wirst mir zustimmen, war ein durchschlagender Erfolg. Und
jetzt ist Zeit zum Abendessen."
Nye drehte sich um und ging auf seinen unwahrscheinlich
langen Beinen davon. Walküre ließ er angeschnallt auf dem Tisch zurück.
SEELENSUCHE
Nye kam nach einer Stunde wieder und klemmte Walküres Herz
in einen Schraubstock. Sie sah zu, wie es immer fester zusammengedrückt wurde,
und ein Teil ihres Bewusstseins begann zu schreien aus Angst, das Herz könnte
platzen. Doch dann ließ Nye die Kurbel los und Walküre entspannte sich und
verfiel erneut in diesen Zustand der Benommenheit, den der Tod mit sich bringt.
Während er ein Skalpell über eine Flamme hielt, erzählte der Zwitter von
vergangenen Ruhmestaten, von dem Leben, das
Weitere Kostenlose Bücher